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Archiv-Artikel

„Mich fasziniert Dutschkes physischer Auftritt“

Der Produzent Nico Hofmann möchte TV-Zuschauern die ungeheure Lebensgier von Rudi Dutschke nahe bringen. Seit fast zwei Jahren plant er, das Leben des Studentenführers zu verfilmen, eingebettet in ein Gruppenporträt der 68er mit allen Nebensträngen. Bisher will jedoch kein Sender den Film zeigen

INTERVIEW MICHAEL BRAKE

taz: Herr Hofmann, mit Filmen wie „Dresden“, „Die Luftbrücke“ und dem geplanten Porträt von Helmut Kohl prägen Sie das Bild der Deutschen von ihrer Geschichte. Auch das Leben von Rudi Dutschke wollen Sie verfilmen. Warum?

Nico Hofmann: Aus zwei Gründen: Erstens, weil Dutschke und die Protestbewegung Ausdruck einer extrem politisierten Zeit waren, die für die heutigen Generationen kaum noch vorstellbar ist. Und zweitens, weil es ein extrem mit Vorurteilen belegter Komplex ist, den man durchleuchten muss.

Auf welche Weise wollen Sie sich dem Thema nähern?

Es gibt zwei verschiedene Herangehensweisen, die beide schon recht weit ausgearbeitet sind: Ich hatte eine Idee mit dem Regisseur Stefan Krohmer und dem Drehbuchautor Daniel Nocke entwickelt; die sind beide um die dreißig. Das würde wie ein Rechercheporträt werden, quasi eine Annäherung aus der Generation der heute 30-Jährigen an die Generation damals. Die zweite Überlegung war, es wirklich komplett als biografischen Film zu machen. Es gibt ja von Dutschkes Frau Gretchen eine Biografie, dazu kommt eine große Menge Dokumentationsmaterial. Ich hätte mich außerdem an Marek Dutschke gewandt, es gibt kluge Betrachtungen vom Sohn über den Vater.

Die Formel für TV-Produktionen wie „Dresden“ lautete: 50 Prozent Fiktion und 50 Prozent Authentizität. Verträgt ein Dutschke-Film so viel Fiktion? Oder würden Sie das dokumentarischer angehen?

Nein, es ist als Fernsehspiel gedacht. Allerdings weniger fiktional, ich würde mich in der Tat sehr nah an Dutschkes Biografie halten. Wir hatten einen Text gemacht, der beobachtet Dutschke über etwa zehn Jahre: Bis zum Attentat und danach. Und zwar eingebettet in ein Gruppenporträt mit den gesamten politischen Nebensträngen. Ob das jetzt Baader-Meinhof ist, ob es das ganze Entstehen der APO ist, die Geschichte von Springer, das wäre alles mit drin. Dutschke wäre quasi der rote Faden, aber es gibt mindestens vier oder fünf Haupt- und Nebenhandlungen.

Was fasziniert an Dutschke?

Der physische Auftritt: Die Diktion und die Magie, die er hatte, und seine ungeheure Lebenslust. Es gibt ja auch sehr verrückte Episoden mit ihm, das hat etwas unglaublich Lebensgieriges. Politik ist ja auch ein Ausdruck für ein Lebensgefühl, alle diese Dinge spielen hier mit rein. Gleichzeitig ist Dutschke sehr ambivalent, denn er war ja auch eine sehr dominante Person: Was ich selbst am stärksten empfand, ist seine Diktion, diese fast schon aggressive Art des Sprechens. Das war ja teilweise wie eine wortgewaltige Vergewaltigung. Je länger man ihm zuhört, desto missionarischer empfand ich es, teilweise fast bis zum Unerträglichen. Ich habe sehr lange gesucht, wer das spielen kann, und kam schließlich auf Christoph Bach – ein ganz junger Schauspieler, der nicht nur optisch eine Ähnlichkeit hat, sondern auch diese Physis, diese ungeheure Lust, diese Kraft, Energie und Überzeugungstäterschaft.

Und wie hätte man die nicht ganz einfachen theoretischen Hintergründe in einem solchen Film untergebracht?

Das ist die Hauptproblematik, denn die bleiben natürlich aus dem heutigen Blickwinkel unheimlich abstrakt. Und wenn Sie es sich länger anschauen, auch sehr kalt – also es wird nicht sinnlich. Es ist wahnsinnig schwer, Dutschkes politische Positionen und Inhalte und wie diese in seiner Person verankert sind, sinnlich und anschaulich zu machen …

gerade für jüngere Zuschauer. Halten Sie Dutschke für ausreichend zeitlos?

Es geht ja um gesellschaftliche Ordnung, es geht um Autorität, es geht vor allem um den Wertewechsel damals – das sind spannende Themen. Übrigens auch, was es familiär ausgelöst hat: Ich erinnere mich noch, wie im 5-Uhr-Blatt der Rheinpfalz das Bild des blutenden Rudi Dutschke abgedruckt war. Nach dem Attentat war das bei uns zwei, drei Wochen lang ein Familienthema. Die ganze Geschichte ist an keiner deutschen Familie spurlos vorübergegangen. Deswegen ist das Thema für mich gar nicht so abstrakt, das gehört auch zu unserem Land dazu.

Trotzdem konnte sich bisher kein Sender dafür begeistern. Wo haben Sie es denn versucht?

Überall. Ich war wirklich überall, bei jedem ARD-Sender und dem kompletten ZDF, und habe bestimmt acht Redakteursgespräche geführt. Ich kann mir auch nicht erklären, warum es so schwierig ist. Bernd Eichinger produziert ja gerade einen Film über die APO, auf Grundlage eines Buches von Stefan Aust. Bernd und Stefan Aust haben ihre Geschichte, glaube ich, relativ schnell und präzise unterbringen können. Aber vielleicht war ich auch zu früh mit dieser Idee, ich habe schon vor anderthalb Jahren damit begonnen.

Und was waren die Gründe für die Ablehnung?

Ich glaube, zwei Dinge – das kann ich jetzt nur aus den Redakteursgesprächen zusammeninterpretieren. Man spürt halt einfach, dass das Thema sehr negativ und mit vielen Vorurteilen belegt ist. Dutschke und die APO kommen nicht als eine positive revolutionäre gesellschaftsumwälzende Kraft rüber – bei uns wird das alles konnektiert mit Baader-Meinhof, mit Terrorismus, mit Straßenschlachten, mit Gewalt. Die politischen Inhalte und die Energie dahinter, die verschwinden weit hinter all den vordergründigen Bildern, die viele Leute im Kopf haben. Und den zweiten Grund habe ich schon genannt: Wenn man sich inhaltlich präzise mit Dutschkes politischen Vorstellungen beschäftigen will, dann ist das zunächst mal sehr abstrakt. Das Hauptargument der Sender war dann immer: Wer guckt sich das denn an, um 20.15 Uhr?

Sehen Sie noch Chancen?

Jetzt, letzte Woche kam ein Anruf vom ZDF, das noch mal an das Thema heranwollte. Witzigerweise gibt es Themen, die mit einem historischen Abstand dann teilweise wieder besser vermittelbar sind. Vielleicht kann man noch mal ein Gespräch führen.

Werden Dutschke und die APO auch unabhängig von Ihrem Projekt in Zukunft mehr thematisiert?

Ich bin überzeugt, dass das kommt. Das wird auch über den Film von Bernd Eichinger und Stefan Aust passieren. Man kann davon ausgehen, dass diese ganze Zeit von 1966/67 bis 1972 über diesen Film hinaus eine besondere Beleuchtung erfahren wird.

Sie versuchen, einen Dutschke-Film zu realisieren – die taz kämpft für eine Dutschke-Straße. Halten Sie das für eine unterstützenswerte Sache?

Das finde ich definitiv gut, ohne jede Einschränkung. Weil das, was Dutschke ausgelöst hat, ein ganz elementarer Teil dieser Gesellschaft ist – es ist gar nicht wegzudefinieren, von daher ist eine Rudi-Dutschke-Straße mehr als berechtigt.