: Ungenutztes Potenzial
ERDGAS GEBEN Die Fahrzeuge sind serientauglich, der Kraftstoff günstig, die Umweltbilanz vorzeigbar, doch der Marktanteil gering
VON OLE SCHULZ
Erdgasfahrzeuge punkten im Vergleich zur herkömmlichen Konkurrenz vor allem unter ökologischen Aspekten: Der Brennstoff setzt gut 25 Prozent weniger CO2 frei als Benzin. Außerdem: praktisch kein Ruß, kein Feinstaub und 95 Prozent weniger Stickoxide als beim Diesel. Dazu kommt, dass Erdgas etwa um die Hälfte billiger ist als Benzin und rund ein Drittel weniger kostet als Diesel.
Allerdings sind Erdgasfahrzeuge beim Kauf teurer. Bis sich die höheren Anschaffungskosten durch geringere Verbrauchskosten amortisiert haben, dauert es einige Jahre. So ist die Zahl umweltschonender Erdgasautos laut Kraftfahrt-Bundesamt seit Januar in Deutschland zwar um fast 79 Prozent gestiegen. Doch ihr Marktanteil liegt trotz dieser stolzen Steigerungsrate bei nur mageren 0,3 Prozent.
Erdgasautos werden in größerem Maßstab vor allem als Taxen und als Flottenfahrzeuge eingesetzt. Dort sind die Einsatzbereiche klar umrissen, kürzere Reichweiten und Lücken im Erdgastankstellennetz spielen eine geringere Rolle. In Berlin wurde der Erdgasantrieb mit der Initiative TUT („Tausend Umwelttaxis für Berlin“) vom Senat seit dem Jahr 2000 mit insgesamt 22,5 Millionen Euro für mehrere Jahre gefördert – mit einigem Erfolg: Obwohl es seit 2006 keine Zuschüsse und Tankprämien mehr gibt, steigt die Zahl der Erdgastaxen, wenn auch deutlich verlangsamt, immer noch leicht an. Mittlerweile sind von den rund 7.000 in der Stadt zugelassenen Taxen knapp 1.100 Erdgasautos.
Auch die Berliner Stadtreinigung (BSR) setzt auf diese umweltschonende Antriebstechnologie und hat derzeit 120 erdgasbetriebene Abfallsammelfahrzeuge im Einsatz, die in drei BSR-eigenen Tankstellen befüllt werden. Durch die neue BSR-Biogasanlage in Berlin-Spandau, die zurzeit noch im Probebetrieb läuft, sollen ab 2014 noch deutlich bessere Umweltwerte der Erdgas-Müllwagen erzielt werden. Wird dem Erdgas das in der Anlage gewonnene Biogas Methan beigemischt, lässt der CO2-Ausstoß sich damit um über 90 Prozent verringern. Die Anreicherung des fossilen Energieträgers Erdgas mit Biomethan könnte ein Kraftstoffmix der Zukunft werden. Die BSR will damit künftig rund 150 Müllwagen betreiben – etwa die Hälfte der gesamten Müllfahrzeugflotte. Jährlich soll dadurch der Ausstoß von insgesamt rund 12.000 Tonnen CO2 vermieden werden.
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) hat man sich dagegen bereits vor Jahren ganz von Erdgasbussen verabschiedet. „Wir haben damals mehrere Tests durchgeführt und erstaunt festgestellt, dass in Berlin Erdgasbusse nicht wirtschaftlich zu betreiben sind“, sagt BVG-Pressesprecher Klaus Wazlak, während sie sich in anderen deutschen Städten zum Teil durchgesetzt hätten. Wazlak führt das auf die schwierige Verkehrssituation in Deutschlands Hauptstadt zurück. „Das ständige Stop-and-Go verhindert, dass Erdgasbusse hier rentabel sind.“
Der BUND hält das allerdings für eine eine vorgeschobene Begründung. Die Umrüstung von Flottenfahrzeugen auf Erdgas oder andere umweltfreundliche Antriebstechniken sei „grundsätzlich sinnvoll“, sagt Martin Schlegel, Verkehrsreferent des BUND Berlin. Die Luftverschmutzung in Berlin sei weiterhin nicht unerheblich, und als Konsequenz der eigenen „Fehlentscheidung“ musste die BVG fast 1.000 Rußfilter in ihre Busse einbauen lassen, um vorgeschriebene Grenzwerte nicht zu überschreiten, so Schlegel.
Fest steht: Die Erdgasantriebstechnik ist auf mehr politische Unterstützung angewiesen, wenn ihr der auch von der Bundesregierung geforderte Durchbruch gelingen soll. Laut der Deutschen Energie-Agentur (dena) kann die Politik „dem Markt für Erdgasmobilität wichtige Impulse geben“. Die dena koordiniert die „Initiative Erdgasmobilität“, die sich dafür einsetzt, den Anteil von Erdgas und Biomethan in Deutschland zu erhöhen. „Wir brauchen vor allem eine transparente Auszeichnung der Kraftstoffpreise an den Tankstellen, damit jeder Autofahrer den Preisvorteil von Erdgas und Biomethan erkennen kann“, sagt Stephan Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung.
Weil Erdgas in Kilogramm und herkömmlicher Sprit in Litern angegeben wird, ist eine Vergleichbarkeit für Otto Normalverbraucher bisher schwierig. Die dena fordert zudem eine Verlängerung der Erdgas-Energiesteuerermäßigung über das Jahr 2018 hinaus sowie eine finanzielle Unterstützung des Ausbaus des Erdgastankstellennetzes. Bislang gibt es bundesweit nur rund 900 Erdgastankstellen, 21 davon in Berlin.
Erdgasautos sind hierzulande noch Nischenfahrzeuge, während außerhalb Europas schon Millionen Menschen mit ihnen auf den Straßen unterwegs sind. Ohne eine koordinierte staatliche Förderung wird dies hier nicht gelingen. Ohne Förderung lassen sich auch die politisch vorgegebenen Ziele kaum einhalten: Nach den Planungen der Bundesregierung aus dem Jahr 2004 sollte der Marktanteil von Erdgasfahrzeugen längst bei 2 Prozent liegen, bis 2020 bei 4 Prozent. Das wären etwa 1,4 Millionen Erdgasautos. Bisher ist noch nicht einmal die Marke von 100.000 erreicht.