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Umweltexperten: CO2-Zertifikate versteigern

Die kostenlose Ausgabe von Emissionsrechten hat zu einem Lobbyismus geführt, der dem Klimaschutz schadet

BERLIN taz ■ Emissionsrechte sollen künftig nicht mehr kostenlos ausgegeben, sondern nur noch versteigert werden. Das fordert der Sachverständigenrat für Umweltfragen, ein Beratergremium der Bundesregierung. Es zeige sich, dass „die freie Vergabe zu einem intensiven Lobbyismus geführt“ habe. Ergebnis seien „Zielverfehlungen mit weit reichenden negativen Konsequenzen“, heißt es in einer gestern veröffentlichten Stellungnahme.

Grundsätzlich hält der Umweltrat den Emissionshandel für sinnvoll. Er sei sogar ein „herausragendes Element“, um den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) „effizient und effektiv“ zu reduzieren. Allerdings hätten die Staaten den Fehler gemacht, das System zu verkomplizieren.

Konkret hätten „energie- und verteilungspolitische Ziele“ das Instrument überfrachtet, erklärten die Experten. Damit hätten die Regierungen den Klimaschutz unnötig verteuert und „volkswirtschaftlich fragwürdige Vermögenstransfers mit erheblichen Mitnahmeeffekten“ vorgenommen: Die Branchen, die nicht von Sonderregeln profitieren, müssten erhebliche Mehrkosten tragen. Das Ziel des Emissionshandels dürfe aber nur sein, den Klimaschutz volkswirtschaftlich zu optimieren.

Deshalb fordern die Sachverständigen, bereits für die kommende Zuteilungsperiode der Jahre 2008 bis 2012 zehn Prozent der Emissionsrechte zu versteigern. Dies ist im Rahmen des EU-Emissionshandels zulässig. Die Zertifikate für die Handelsperiode nach 2012 sollten dann komplett an die Meistbietenden versteigert werden.

Der Sachverständigenrat räumt aber auch mit einigen Mythen auf, mit denen manche Marktteilnehmer den Emissionshandel umrankt haben. So sei das Argument falsch, CO2-intensive Technologien müssten besonders viele Zertifikate zugeteilt bekommen, damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten können.

Für die Frage, ob eine Technologie durch den Emissionshandel besser oder schlechter gestellt wird, sei nach allen Regeln der Ökonomie alleine ihre CO2-Intensität ausschlaggebend – und nicht die Menge der kostenlos zugeteilten Emissionsrechte. Höhere Zuteilungen würden niemals die Wettbewerbsfähigkeit einer Technologie verbessern, sondern führten lediglich zu höheren Mitnahmegewinnen, schreibt der Umweltrat.

Auch die Aussage, kostenlose Emissionsrechte seien notwendig, um Investitionen in neue Kraftwerke zu ermöglichen, halten die Experten für ein „Scheinargument“. Entscheidend sei vielmehr die Rentabilität der Anlage an sich, unabhängig davon, in welchem Maße sie CO2 ausstoßen dürfe.

Für den Fall, dass sich die Politik nicht zur kompletten Versteigerung der Emissionsrechte durchringen kann, fordert der Umweltrat zumindest einige Verbesserungen bei der Zuteilung: Eine „deutlich restriktivere Ausstattung von Bestandsanlagen“, die „Abschaffung sämtlicher Sonderregeln“ sowie die „Abschaffung brennstoffspezifischer Benchmarks“.BERNWARD JANZING

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