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Archiv-Artikel

NPD wirbt um weitere Linke

Die WASG sei eine Diktatur, begründet das ehemalige Vorstandsmitglied Andreas Wagner seinen Übertritt zur NPD. Peter Marx von den Rechtsextremen fordert andere Mitglieder auf, Wagners Beispiel zu folgen. Weiterer NPD-Zuwachs in Dresden

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Andreas Wagner wirkt nicht wie ein glühender Vorkämpfer für die Rechte der Armen und Unterdrückten. Der Mann, der überraschend vom Bundesvorstand der WASG in die NPD übergetreten ist, saß gestern schmal und gebeugt vor den Journalisten der Landespressekonferenz Sachsen – um seinen Austritt aus der WASG zu begründen.

Die Partei sei eine Diktatur von wenigen und erinnere in ihren Strukturen an die ehemalige SED, so Wagner. Mit den „wenigen“ ist der engere Vorstandszirkel um Klaus Ernst, Thomas Händel und Axel Troost gemeint – der, so Wagner, eigenmächtig mit der PDS verhandelt habe. Die WASG leiste Schützenhilfe für den „Einzug des Kommunismus im Westen“.

Um die Gesundheit Wagners ist es wohl nicht gut bestellt. Bei einem Prozess gegen ihn vor dem Amtsgericht Chemnitz wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung wurde er für mehrere Monate als verhandlungsunfähig erklärt. Für einen Auftritt bei der NPD aber scheint es noch zu reichen: Wagner soll am 1.Mai in Rostock bei der zentralen NPD-Kundgebung wohl als flammender sozialpolitischer Redner präsentiert werden.

Ein Fragezeichen darf hinter den Optimismus von Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx gesetzt werden, der von „langer Zusammenarbeit“ mit dem künftigen sozialpolitischen Berater der NPD-Landtagsfraktion in Dresden sprach. Eine Arbeit, für die der bisherige Versicherungsvertreter auch entlohnt wird. Er werde dafür „irgendwann auch in die NPD eintreten“, kündigte Wagner an.

Worin Wagners sozialpolitische Kompetenz allerdings besteht, wurde auch bei seiner Pressevorstellung nicht deutlich. Allgemeinplätze wie das Eintreten für soziale Gerechtigkeit und die Ablehnung der Globalisierung ergänzte Wagner durch ein Plädoyer für Mindestlöhne, Mindestrenten und die fortgesetzte paritätische Finanzierung der Sozialversicherungen. Hier sehe er eine „große thematische und inhaltliche Schnittmenge zwischen WASG und NPD“.

Auch Oskar Lafontaines Warnungen vor „Lohndrückern“ aus den neuen EU-Ländern oder vor dem Beitritt der Türkei hätten solche Berührungsflächen erkennen lassen. Sein Schritt heraus aus der WASG hin zur NPD sei deshalb „reiflich überlegt“.

Peter Marx (NPD) forderte prompt weitere unzufriedene WASG-Mitglieder auf, diesem „Signal“ zu folgen. Von sich selbst zeichnete der ehemalige Ge-werkschafter aus dem Ruhrgebiet das Bild eines aufrechten Kämpfers für Wahrheit und Gerechtigkeit, der nur am „stali-nistischen“ Parteiapparat gescheitert und gemobbt wurde.

In dieser persönlichen Identitätskonstruktion ähnelt Wagner dem Überläufer Werner Klawun im Dresdner Stadtrat, der vor einem Monat von der bunten Bürgerfraktion zum Nationalen Bündnis gewechselt war. Auch Klawun gilt als politischer Hasardeur und als nicht teamfähig. Das bislang dreiköpfige Bündnis, dem auch der NPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Holger Apfel angehört, könnte dadurch Fraktionsstatus im Dresdner Stadtrat erhalten.

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