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Archiv-Artikel

„Ein Quasi-Zuhause“

ALZHEIMER-TAGE Abdullah Ahrari berichtet über die Arbeit seiner Interkulturellen Tagespflege

Von PS
Abdullah Ahrari

■ 56, Altenpfleger, gründete 1999 den Pflegedienst „Ariana“ und 2011 die Interkulturelle Tagespflege.

taz: Herr Ahrari, woher stammen die Patienten Ihrer Interkulturellen Tagespflege?

Abdullah Ahrari: Die meisten aus dem Iran oder aus meiner Heimat Afghanistan. Andere kommen aus Syrien, Jordanien, Ägypten und Nordafrika. Sie fühlen sich unter Gleichgesinnten wohl gut aufgehoben.

Warum werden diese Menschen nicht von ihren Familien versorgt? Die Großfamilie ist doch sehr wichtig in der arabischen Kultur.

Das stimmt, deren Gesellschaften funktionieren anders: Erstens ist es Ehrensache, die Eltern zu versorgen, und dafür hängen die Kinder den Beruf an den Nagel – oder engagieren günstige Pflegekräfte. Denn es gibt kaum Pflegeeinrichtungen. In Deutschland dagegen wohl – und außerdem ist das Leben hier so teuer, dass oft beide Partner arbeiten müssen und einfach keine Zeit haben für die Pflege.

Dann ist Ihre Interkulturelle Tagespflege eine Marktlücke.

Ja. Trotzdem lief sie schleppend an, weil die Menschen so etwas nicht kannten – und weil sich die Kinder schämten, ihre Eltern in fremde Hände zu geben. Wir haben jetzt 70 Patienten, aber es hat drei Jahre gedauert, bis sich das herumgesprochen hat.

Haben Ihre Patienten davon geträumt, in Deutschland in der Tagespflege alt zu werden?

Auf keinen Fall. Egal, ob sie vor 30 Jahren mit ihren Kindern kamen oder erst vor einem Jahr nachgezogen sind: Sie haben davon geträumt, hier die vertraute Großfamilie einzurichten. Und dann waren sie plötzlich mit Einsamkeit und Anonymität konfrontiert. Ich hatte zunächst nur einen ambulanten Pflegedienst, dachte aber irgendwann: Ich will ihnen ein Quasi-Zuhause geben.

Sind eigentlich all Ihre Mitarbeiter und Patienten Muslime?

Nein, wie haben in beiden Bereichen Menschen aller Religionen und Konfessionen.

Gibt das keine Konflikte?

Selten. Ich selbst bin Muslim und finde religiöse Unterschiede nicht wichtig. Deshalb versuche ich, solche Querelen zu unterbinden. Es gab hin und wieder Kollegen, die sagten: Warum arbeitest du als Muslim mit Juden zusammen? Dann sage ich: Das ist hier der falsche Ort für dich. Das ist ein heiliger Ort, wo Menschen, die Gott geschaffen hat, leben und arbeiten. Außerdem akzeptiert der Islam alle abrahamitischen Religionen.  INTERVIEW: PS

Vortrag von Abdullah Ahrari: 17 Uhr, Elisabeth Alten- und Pflegeheim, Kleiner Schäferkamp 43. Gesamtprogramm der Hamburger Alzheimer-Tage (21. bis 23. Oktober): www. hamburgische-bruecke.de/hilfen-bei-demenz