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Archiv-Artikel

An Onkel Lothars ruhiger Hand

Der PDS-Parteitag von Halle zeigt: Die Partei sehnt sich nach Normalität. Die Ruhe störte nur einer: Oskar Lafontaine hielt eine Bewerbungsrede als Chef der neuen Linkspartei

Unter Bisky erscheint die PDS als Ost- Volkspartei mit Hang zur Gemütlichkeit

HALLE taz ■ Es war ein Parteitag im Schatten. Das Schillernde, auch Chaotische spielte sich bei der WASG in Ludwigshafen ab – in Halle zeigte sich die Linkspartei demonstrativ geschlossen. Es fiel kaum ein böses Wort, Realos und Fundis waren nett zueinander, und die Reformlinke Katina Schubert, Mitarbeiterin des Berliner Wirtschaftssenators Harald Wolf, wurde anstandslos zur Vizechefin der Partei gewählt.

Im Vorfeld hatte Fundi Diether Dehm zum Angriff auf Schubert geblasen: Mit ihr drohe ein (halluzinierter) Durchmarsch der Rechten. Doch in Halle wurde Schubert anstandslos gewählt, ebenso die unvermeidliche Linksfundamentalistin Sarah Wagenknecht, die wieder im Vorstand sitzt.

Halle trug die ruhige Handschrift des Parteichefs Lothar Bisky. Dessen Rede war wohltemperiert, konziliant im Ton, allerdings auch ohne Merksätze. Unter Bisky erscheint die PDS als das, was sie jenseits der steilen linken Rhetorik ja ist: eine ostdeutsche Volkspartei mit Hang zur Gemütlichkeit.

Allerdings hat Biskys freundlicher, integrativer Stil auch Defizite, nämlich die routinierte Verdrängung des Streitbaren. So wurde die merkwürdige Interpretation von Hans Modrow, immerhin Ehrenvorsitzender der PDS, die alte Bundesrepublik sei mitschuldig an den Mauertoten, weitgehend ignoriert. Und die Debatte um Kuba und Menschenrechte verschwand vom Programm. Das Gleiche geschah mit einer anderen Kernfrage der Partei: der Privatisierung von kommunalem Wohneigentum. Dresdener PDS-Genossen hatten genau das kürzlich getan – Oskar Lafontaine hatte die Privatisierung zum Tabu für Linke erklärt. Doch auch diese Debatte erschöpft sich im Glaubensbekenntnis gegen Privatisierung.

Gregor Gysi riss den Parteitag mit einer quirligen Rede noch mal aus ihrem Dämmerzustand. Doch am Grundsätzlichen ändert das nichts: Die PDS, lange in selbstzerstörerische Kämpfe verstrickt, scheint momentan am Gegenteil zu leiden: an der Sehnsucht nach Normalität.

Am Ende trat Oskar Lafontaine auf und schlug einen neuen, kämpferisch-antikapitalistischen Ton an. Lafontaine agitierte für das Recht auf Generalstreik, ein enges Bündnis mit den Gewerkschaften und gegen die USA. Das war, meinten manche, schon eine Bewerbungsrede für den Chefposten der neuen Linkspartei. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Der PDS-Parteitag nahm Lafontaines scharfe Rhetorik mit eher höflichem Beifall auf. STEFAN REINECKE