portrait : Indonesiens unbeugsamer Chronist
Als Freunde am 6. Februar Pramoedya Ananta Toers 81. Geburtstag in einem Kulturzentrum feierten, sang eine Punkband von ihm inspirierte Texte und erklärte den hageren, fast tauben Ehrengast zum „Großvater des Punk“. Zwar ist von Pram, wie Indonesiens am Sonntag verstorbener bedeutendster zeitgenössischer Schriftsteller genannt wird, keine Vorliebe für Punk bekannt. Doch er sagte immer, die Jugend sei für ihn Hoffnung.
Unverständnis äußerte der kettenrauchende Pramoedya dagegen über den Lebenswandel seiner eigenen Kinder und Enkel, die zu viel Fernsehen schauten. Er kritisierte sie ähnlich hart wie Indonesiens Gesellschaft und Politik. „Nach Sukarno hat es nur noch Clowns gegeben, die nicht fähig waren, ein Land zu führen“, sagte er etwa 2004. In einem taz-Interview warnte er 1999 vor der anhaltenden Macht des Militärs.
Der in Zentraljava geborene Pramoedya hatte von seinem Vater, einem Lehrer, den Nationalismus übernommen. Deshalb steckten ihn schon die Holländer ins Gefängnis, als sie nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten, die Kolonie wieder zu unterwerfen. Anfang der 60er kam Pramoedya ins Gefängnis, weil er Sukarnos Regierung wegen der Diskriminierung chinesischer Migranten kritisierte. Später arbeitete er im Kulturinstitut der KP, der er nicht angehörte, und griff als Zeitungsredakteur Intellektuelle an, die seine Meinung nicht teilten. Als 1965 das Militär unter Suharto die damals drittgrößte KP der Welt zerschlug, wurde er erneut verhaftet. Ohne Anklage verbrachte er 14 Jahre in Haft. In dieser Zeit entstanden mit der Buru-Tetralogie („Garten der Menschheit“, „Kind aller Völker“, „Spur der Schritte“, „Glashaus“) seine bekanntesten Werke. Darin zeichnet er ein Porträt der kolonialen Gesellschaft, die er beim Kampf um die Unabhängigkeit begleitet. Weil ihm Stift und Papier verwehrt wurden, erzählte er den Mithäftlingen abends die Geschichten, die er später aufschrieb. Die meisten erschienen erst nach Suhartos Sturz 1998 legal.
Pramoedya stand bis 1992 unter Hausarrest. Selbst 1995 durfte er nicht nach Manila reisen, um einen renommierten Preis entgegenzunehmen. Ein früherer Preisträger, Mochtar Lubis, ließ sich vom Regime einspannen, um die Auszeichnung zu kritisieren. Pramoedya war ein prononcierter, streitbarer Autor. Doch die literarische Qualität seiner über 30 Werke stand nie in Frage. Mehrfach wurde er deshalb für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen.
Vorige Woche wurde Pramoedya ins Krankenhaus eingeliefert. Als er Samstag aus dem Koma erwachte, wollte er in sein Haus im Osten Jakartas zurückkehren. Dort starb er Sonntagmorgen. SVEN HANSEN