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Archiv-Artikel

american pie Die Toptitelfavoriten

Die Dallas Mavericks stehen nach dem vierten Sieg gegen die Memphis Grizzlies als erstes Team der NBA in der zweiten Runde der Playoffs

Am Ende gab’s dann doch noch was zu lachen. Alle Fragen waren beantwortet, die Pressekonferenz zu Ende und Avery Johnson, der Trainer der Dallas Mavericks, wollte den versammelten Journalisten nur noch mitteilen, dass am Dienstag, falls sie auf der Suche nach einer Geschichte sein würden, niemand anzutreffen sein würde in der Trainingshalle zu Dallas. Also sprach der Coach: „Wir haben morgen frei.“ Und löste allgemeine Erheiterung aus im Saale. Johnson, als detailversessener Disziplinfanatiker bekannt, blickte noch einmal kurz verständnislos in die Runde, bevor er sich endgültig aufmachte ins heimische Texas.

Tatsächlich waren die Mavericks in den Stunden zuvor mit den Memphis Grizzlies ganz so verfahren, wie es ihrem Coach gefallen hatte. Der 102:76-Erfolg wurde nach der Halbzeitpause humorlos und abgebrüht nach Hause gefahren. Johnson lobte denn auch nicht den wieder einmal in der Offensive überragenden Dirk Nowitzki und seine 27 Punkte, sondern die „harte und nüchterne Verteidigung“, die sein Team gezeigt hatte. Auch der deutsche Star stimmte in den vom Trainer vorgegebenen Chor ein. Man sei vor allem „stolz auf die Verteidigungsleistung“. Da wollte auch der unterlegene Gegner nicht zurück stecken: „Sehr gut organisiert“ seien die Mavericks, lobte Pau Gasol, der spanische Star der Grizzlies.

Nach dem neuerlichen Erfolg, dem vierten Sieg im vierten Spiel gegen Memphis, steht Dallas nun als erste Mannschaft in der zweiten Runde der NBA-Playoffs. Und das sollte nicht die Endstation sein für Nowitzki und Co., glaubt jedenfalls der sichtlich frustrierte Trainer des Erstrundenopfers: „Dallas spielte gegen uns großartigen Basketball und wenn sie so weiterspielen“, prophezeite Mike Fratello, „dann werden sie noch weit kommen in den Playoffs.“

Die Grizzlies dagegen warten weiter auf ihren ersten Sieg in der Endrunde. Der Club, der erst seit 1995 existiert, wurde zum dritten Mal in Folge per „Sweep“ aus der ersten Runde befördert und weist nun eine Bilanz von 12 Niederlagen ohne einen einzigen Sieg in den Playoffs auf – ein trauriger Rekord für die Ewigkeit. „Sehr frustrierend“, fand das auch Paul Gasol, „so soll man sich nicht an uns erinnern. Hoffentlich bekommen wir nächstes Jahr eine neue Chance und wiederholen dann nicht die Fehler, die wir diesmal gemacht haben.“

In diesem Jahr aber sind die Dallas Mavericks nun plötzlich zum Toptitelfavoriten aufgestiegen – nicht nur weil die souveränen Auftritte gegen die Grizzlies überzeugten, sondern vor allem auch, weil die ursprünglich stärker eingeschätzte Konkurrenz Schwächen zeigt: Die Detroit Pistons, das beste Team der regulären Saison, verlor bereits einmal gegen den krassen Außenseiter Milwaukee Bucks. Zwar gewann Detroit in der Nacht zu Dienstag 109:99 bei den Bucks und führt in der Serie nun mit 3:1, aber vor allem in der Defensive, sonst die Stärke des Teams aus der Autostadt, hat man bislang nicht den besten Eindruck hinterlassen.

Noch mehr Probleme haben allerdings die San Antonio Spurs gegen die gerade noch so in die Playoffs gerutschten Sacramento Kings. Der Titelverteidiger verlor sang- und klanglos beide Spiele in Sacramento, die Serie steht ausgeglichen 2:2 und frühestens am Freitag fällt die Entscheidung, auf wen die Mavericks in der nächsten Runde treffen werden. Die Kings dürften Nowitzki und seinen Kollegen entschieden lieber sein. Gegen sie hätte man in einem entscheidenden siebten Spiel Heimrecht.

Aber wer auch immer der Kontrahent sein wird: Je länger die Serie zwischen San Antonio und Sacramento dauert, desto größer werden die Chancen für die Mavericks, glaubt Memphis-Coach Fratello: „Das ist eine großartige Gelegenheit für Dallas, weil der Gegner so gut wie keine Vorbereitungszeit haben wird und sich kaum erholen kann.“ So sieht auch Nowitzki der Wartezeit gelassen entgegen: „Mir wäre es zwar lieber, es ginge in drei, vier Tagen weiter, damit ich meinen Rhythmus nicht verliere. Aber ein paar von uns können jetzt ihre Wehwehchen auskurieren und wir können weiter an unserer Verteidigung arbeiten, verbessern, was wir gegen Memphis nicht gut gemacht haben.“ Ansonsten aber gelte es vor allem, „konzentriert zu bleiben“.

Auch Avery Johnson will die vergleichsweise lange Pause, die nun droht, sinnvoll nutzen. Vor allem, für ihn wenig überraschend, mit weiteren Übungseinheiten: „Training“, sagte er noch, „das ist mein Liebstes“. Diesmal lachte allerdings niemand.

THOMAS WINKLER