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Archiv-Artikel

Von finster bis finster in Bayern

Die Volksschule Deining wird für ihr kreatives Ganztagsprogramm gekürt – den bayerischen Nachmittagsmuffeln zum Trotz

VON MAX HÄGLER

Heinz Lang hat sich Gedanken darüber gemacht, wie man Geld sinnvoll einsetzen kann. Der Rektor der Volksschule Deining in der Oberpfalz wurde dafür gestern mit dem zweiten Platz bei dem Bundeswettbewerb „Zeigt her eure Schule!“ belohnt. Die Kinder- und Jugendstiftung hatte aufgerufen, zu erklären, wie das Streitthema Ganztagsschule im Alltag funktionieren kann – ohne Rücksicht auf die andauernden Diskussionen um den prinzipiellen Sinn und die vermeintliche Elternentrechtung.

In Deining funktioniert das durchaus unorthodox, angefangen bei der Benennung: „Bislang gibt es in Bayern keine Ganztagsschulen nach unserem Muster, also übergreifend von Grund- und Hauptschule“, berichtet Rektor Lang. „Bei uns dagegen können alle Schüler von 8 bis 17 Uhr in der Schule bleiben – deswegen erlauben wir uns den Namen „offene Ganztagsschule“ zu führen.“ Der Hinweise findet sich auch auf dem Bewerbungsbogen, „uns gibt’s so gar nicht“ ist da handschriftlich notiert.

In der Tat ist Bayern nicht gerade Vorreiter in Sachen Ganztagsschulen. Zwar hat der Freistaat in den letzten Jahren aufgeholt: 68 gebundene Ganztagsschulen und rund 600 offene Angebote gibt es an Hauptschulen, Gymnasien und Realschulen – 3 Prozent alle Schüler nutzen es. Grund für die Zunahme ist jedoch eine umfassendere Definition von dem, was eine Ganztagsschule ist. Eine eindeutige Absage an diese Schulform erteilte das Schulministerium vor zwei Jahren: Damals untersagte es den Lehrern und Schulamtsleitern, zu einer prominent besetzten Ganztagsschultagung nach Baden-Württemberg zu reisen. Deswegen bezeichnet der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) es schon als einen „Quantensprung“, dass in Bayern über die Ganztagsschule überhaupt diskutiert wird. „Allerdings geht Bayern diesen pädagogischen Weg nur sehr zögerlich und vor allem zu langsam“, klagt Verbandschef Albin Dannhäuser.

Auch das „erklärte Ziel des Kultusministeriums“, bis 2008 das Angebot auf 100 Ganztagsschulen und 1.000 Schulen mit Ganztagsangeboten auszuweiten, besänftigt den bayerischen Pädagogenverband nicht. Die Ausstattung sei zu mager, findet er. Die angekündigten zusätzlichen 7 Lehrerstunden pro Woche und Klasse und 3.000 Euro pro Jahr würden nicht für eine effektive pädagogische Arbeit ausreichen. „Doch die wäre angesichts der Vielfalt der Kinder, ihrer Lebensprobleme und des häufig problematischen Umfelds nötiger denn je“, sagt Dannhäuser.

„Wir brauchen eine ganztägige Betreuung der Schüler, denn wir haben auch in Bayern keine heile Welt“, sagt auch Lang, Rektor in der beschaulichen Oberpfalz. „Wie überall in der Republik fahren sonst viele Jugendliche zu den Dorfbuden und besaufen sich, weil sie mit ihrer Freizeit nicht umgehen können.“ Wenn man durch Neukölln gehe, sehe man als Extrem, was passiert, wenn junge Menschen ohne Jobperspektiven den Nachmittag auf der Straße verbringen. „Da bringt auch ein qualifzierender Hauptschulabschluss nichts.“

110 Kinder und Jugendliche, ein Drittel der Schüler, nutzen das Angebot in Deining – obwohl die Öffnung von „finster bis finster“ für so viele eigentlich gar nicht möglich ist. „Geld haben wir eigentlich nur für 24 Schüler“, so Lang. Das Problem ist der Kosten-Split: Jede Zuweisung vom Freistaat – 750 Euro pro Schüler und Jahr – müsse die Kommune verdoppeln. Auch die Fördertöpfe des Bundes nützen nichts, sie unterstützen nur Baumaßnahmen und Materialanschaffungen „Aber gerade in den Gemeinden sind die Kassen ja klamm, deswegen haben wir nicht mehr Schüler angemeldet.“ 86 Schützlinge werden also durchgefüttert mit Brotkrumen? „Nein, wir kriegen das irgendwie hin: indem wir uns alle ausbeuten, indem wir Diplompädagogen auf 400-Euro-Basis anstellen und indem unsere Verwaltung zeitsparend abläuft.“

Eine Sekretärin kümmert sich um 360 Schüler, 27 Lehrer, 3 Sozialpädagogen, 2 Erzieherinnen, 4 Betreuer, 2 Handwerker und auch um die vielen Projektpartner der Schule. Da ist etwa das Computerhaus Schwarz, das der Schule gemeinsam mit einem externen Caterer ein computergestütztes Bestell- und Abrechnungssystem für das Mittagessen entwickelt hat.

„Eine entscheidende Einsparung“, so Lang, „nur dadurch ist ein Nachmittagsangebot überhaupt möglich – wir sparen uns Listen und Geldeinsammeln und haben drei Menüs zur Auswahl jeden Tag.“ Wichtiges Organisationsmittel daneben: der Schaukasten. Hier wird verwaltet, was Schüler und Lehrer gemeinsam mit den externen Projektpartnern ab dem Mittagessen veranstalten: Nachmittagsunterricht, Arbeitsgemeinschaften, Projekte, Nachhilfeangebote. Das Urteil der Schüler: „sehr gut“. Aber die Ausflüge könnten ein bisschen spannender sein, klagt der Siebklässler Philipp. Aber auch da wird den Deiningern sicher etwas einfallen.