: Zwei Herzen im Dreivierteltakt
FILMMUSIK Viele Regisseure schwärmen für exotische Klänge. Mit ihren Filmen haben sie die Globalisierung des Hörens befördert
VON DANIEL BAX
Nicht viele Regisseure gehen so weit wie Wong Kar-Wai, der Tempo und Tonfall seiner Filme von der Musik vorgeben lässt: Bei „Happy together“ von einem Tango, bei „In the Mood for Love“ von einem Walzer. Oder wie Jim Jarmusch, der sagt, Musik sei „die höchste und schönste Form des Ausdrucks. Ohne Musik hätte das Leben keinen Sinn.“
Viele Regisseure sind aber musikverrückt und haben ein Faible für exotische Klänge. Sie setzen sie gezielt ein, um Stimmungen zu erzeugen, und haben damit schon so manchen Weltmusiktrend gesetzt. Emir Kusturica etwa bereitete mit Filmen wie „Time of the Gypsies“ und „Schwarze Katze, weißer Kater“ der musikalischen Entdeckung des Balkans den Boden. Und die Coen-Brüder läuteten mit ihrer Südstaatenkomödie „Oh brother, where art thou“ ein Revival der Hillbilly-Musik ein. Das Kino hat damit mehr zur Popularisierung der Weltmusik beigetragen als viele andere Medien.
Es war Pedro Almodovar, der die Rancherasängerin Chavela Vargas aus der Vergessenheit riss, als er ihre Lieder in die Filme „High Heels“ und „Kika“ einstreute. Damit bescherte er in den Neunzigerjahren der Mexikanerin mit über 70 Jahren noch ein Comeback. Auf die gleiche Weise brachte Jim Jarmush dem äthiopischen Musiker Mulatu Astatke späten Ruhm, indem er dessen Songs in seiner romantischen Komödie „Broken Flowers“ einsetzte. Da hatte sich der Vater des „Ethio-Jazz“ längst in Addis Abeba zur Ruhe gesetzt.
Manche Regisseure huldigen Musikern, die sie schätzen, indem sie sie in ihren Spielfilmen auftreten lassen. Man muss ja nicht gleich seine Lieblingssängerinnen zur Hauptfigur küren, wie es Wong Kar-Wai mit dem Kantonpopstar Faye Wong in „Chungking Express“ und später mit der Folk-Sängerin Norah Jones für „My Blueberry Nights“ getan hat. Es reicht ja schon, wenn man sie beiläufig in die Handlung einbaut wie Pedro Almodovar, der den brasilianischen Songwriter Caetano Veloso in „Sprich mit ihr“ ein Wohnzimmerkonzert geben lässt. Oder wie Fatih Akin, der seinen Hauptdarsteller Birol Ünel in „Gegen die Wand“ in einer Schlüsselszene zur rumänischen Gipsy-Blaskapelle Fanfare Ciocarlia auf die Bühne schickte.
Auch das Prinzip lässt sich ausbauen: Andreas Dresen ließ die 17 Hippies aus Berlin in seiner Tragikomödie „Halbe Treppe“ zwischen den einzelnen Episoden quasi als Treppenwitz auftreten. Und Wim Wenders entspann in „Lisbon Story“ gleich eine ganze, leider etwas lahme Spielfilmhandlung um die portugiesische Band Madredeus.
Wollen sich Regisseure ganz in den Dienst der Musik stellen, dann würdigen sie sie mit einer Dokumentation. Wim Wenders verpasste der kubanischen Musik mit seiner „Buena Vista Social Club“-Doku einen enormen Schub. Aber auch Fatih Akin baute der türkischen Musikszene mit seiner Istanbul-Doku „Crossing the Bridge“ eine Brücke nach Europa.
Das Globalisierungskino von heute hat jedenfalls die Globalisierung des Hörens befördert. Auch darum ist der argentinische Starproduzent Gustavo Santaolalla („Amores Perros“, „Babel“) zu einem der gefragtesten Soundtrackkomponisten Hollywoods aufgestiegen. Und mit seinem Score zu „Slumdog Millionär“ gelang auch dem indischen Filmmusik-Superstar A. R. Rahman der Sprung von Bollywood-Ruhm zu Oscar-Ehren.
Es ist schon eine Weile her, dass Hollywoodfilme stets mit demselben einförmigen Klangbrei untermalt wurden, selbst wenn sie wie „Jenseits von Afrika“ an weit entfernten Orten oder in anderen Kulturen spielten. Heute muss die Musik unbedingt einen exotischen Reiz versprühen – selbst dann, wenn der Film nur in einem Vorort von Seattle oder Los Angeles spielt.