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Archiv-Artikel

nicht käuflich Datensammeln hat seinen Preis

Das Marler Grimme Institut vergibt seit dem Jahre 2001 den „Grimme Online Award“, so auch in diesem Jahr wieder. Erstmals ist unter den vorgeschlagenen Internetseiten auch ein so genannter „Podcaster“, was nichts anderes ist, als ein Anbieter von Radiosendungen, die der Internetnutzer auf ein mobiles Abspielgerät laden kann, um dann die Episode des jeweiligen Podcasts unterwegs genießen zu können. Was auch neu ist an der diesjährigen Verleihung des „Grimme Online Awards: „Die Votingplattform wird in diesem Jahr erstmals von TV Spielfilm bereit gestellt“ schreiben die Verleihwütigen aus Marl voller Freude über einen ihrer Sponsoren aus dem Hause der Tomorrow Focus AG.

Das Unternehmen freut sich natürlich auch: Denn wer sich an der Wahl zum so genannten „Intel Publikums Preis“ beteiligen möchte, darf bei der Tomorrow Focus AG erst einmal einen Sack persönlicher Daten abgeben. Dabei verpflichtet sich die Tomorrow Focus AG in ihren Datenschutzbestimmungen für ein Gewinnspiel nur die Daten abzufragen, die „für den jeweiligen Service und seine Personalisierung nötig sind“. Aber warum gibt es dann auf dem Gewinnformular Felder zum Eintrag der Fest- und Mobiltelefonnummer und zum Hinterlassen der Email-Adresse? Außerdem wird der Gewinnspielteilnehmer überrumpelt: Schon vorab hat das Online-Formular zwei Häkchen: Eines erlaubt die Weitergabe der Daten an Dritte – laut Tomorrow Focus „seriöse Unternehmen“. Der zweite Haken abonniert gleich den „kostenlosen TV Spielfilm Newsletter“. Danke sehr, alles so einfach.

Dabei vergab die Jury des Grimme Instituts den letztjährigen „Grimme Online Award Spezial“ an das Angebot von Spiegel online. Die Laudatio mahnte das Hamburger Magazin mit den Worten: „Die Jury wünscht sich, dass SPIEGEL ONLINE auch weiterhin auf die strikte Trennung von redaktionellen und werblichen Angeboten achtet.“

Den „Spezial Award“ gibt es diesmal übrigens gar nicht mehr. Und man kann sich fragen, warum vom Medien-Institut überhaupt Websites prämiert werden müssen. Schließlich hat sich das Institut zur Aufgabe gemacht, mit dem „Online Award“ die Medienkompetenz fördern zu wollen – was hiermit geschehen ist, denn auf das Notebook habe ich nun keine Lust mehr. Außerdem ist das Internet ja genau das Medium, dass es dem Benutzer ermöglicht, die Lieblingsstellen im Netz selbst auszusuchen und (Achtung: Medienkompetenz) durch Interaktion zu bereichern.

Außer einer hübschen Datensammlung für die Tomorrow Focus AG ist das Ergebnis des Intel-Publikumspreises für Websites freilich ähnlich vorhersehbar wie die Antwort auf die Frage an die Deutschen nach ihrer liebsten Boulevardzeitung. Doch bei der Online-Gesellschaft wird weiterhin davon ausgegangen, regelmäßige Internetnutzer und Votingplattformer seien ein elitärer Kreis. Dass dem nicht so ist, hat die Tomorrow Focus AG nun schneller begriffen, als es dem Marler Grimme Institut lieb sein kann.