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Archiv-Artikel

Das Elterngeld belastet die Ämter

Zum 1. Januar 2007 soll das neue Elterngeld eingeführt werden. Wahrscheinlich werden Jugendämter die Anträge bearbeiten. Dort dürfte mehr Arbeit anfallen. Sozialsenatorin Knake-Werner sieht Nachbesserungsbedarf

Von ROT

Im nächsten Jahr wird es so weit sein: Berliner, deren Kinder nach dem 1. Januar 2007, 0 Uhr, geboren werden, können das einkommensabhängige Elterngeld beantragen. Wie dieses neue familienpolitische Instrument, das das bisherige Erziehungsgeld ersetzen wird, die Eltern erreichen soll, steht allerdings noch nicht fest.

Zuständig für die Auszahlung seien die Kommunen, heißt es im Bundesfamilienministerium. Bisher könne das Erziehungsgeld bei den Sozial- oder Jugendämtern beantragt werden. Dies dürfte auch beim Elterngeld der Fall sein. Besondere Probleme bei der Umsetzung sieht man im Bundesministerium nicht. „Eine Leistung wird einfach durch eine andere ersetzt“, heißt es.

Fraglich ist allerdings, ob es künftig genügend Personal für die Berechnung der Elterngeld-Ansprüche gibt. Denn Erziehungsgeld beantragen in der Regel nur Mütter und Väter, die aufgrund ihres relativ geringen Einkommens Anspruch darauf haben. Elterngeld sollen aber alle, also auch die Besserverdienenden, erhalten. Der Verwaltungsaufwand könnte sich entsprechend erhöhen.

Die große Koalition im Bund hatte sich am Montag auf das Elterngeld geeinigt. Beanspruchen können es Mütter oder Väter, die im ersten Lebensjahr des Kindes auf die Ausübung ihres Berufs verzichten. Das Geld wird bis zu zwölf Monate lang bezahlt und noch zwei Partnermonate länger, wenn sich der andere Elternteil in dieser Zeit um die Betreuung kümmert. Ausbezahlt werden als Lohnersatzleistung 67 Prozent des letzten Nettolohns, bis zu einer Höchstgrenze von 1.800 Euro monatlich.

Die Berliner Diakonie hat den Koalitionskompromiss zum geplanten Elterngeld „grundsätzlich“ begrüßt. So seien Vätermonate „eine Chance, eine bessere Basis für eine engere Vater-Kind-Beziehung zu legen“, erklärte Direktorin Susanne Kahl-Passoth gestern. Das Elterngeld sei nur ein „willkommener Teil eines überfälligen, im Ganzen jedoch weiterhin ausstehenden Reformpakets“. Die Grundbedingungen für Familien in der Gesellschaft seien aber nach wie vor unbefriedigend. Das Hauptdilemma liege im Mangel an Arbeitsplätzen und daraus resultierenden Zukunftsängsten. Auch gebe es zu wenige familienfreundliche Arbeitszeitmodelle und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren, sagte Kahl-Passoth.

Berlins Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linkspartei.PDS) sah gestern „Nachbesserungsbedarf“ beim geplanten Elterngeld. „Mit der Reduzierung der Bezugsdauer auf 12 bis 14 Monate finanzieren nun die bisher Berechtigten – Eltern ohne hohes Einkommen und Arbeitslose – das Elterngeld für Besserverdienende.“ So blieben Kinder aus sozial schwachen Familien auch bei der Förderung Kinder zweiter Klasse. „Es drängt sich der Eindruck auf, nicht jeder Nachwuchs sei willkommen.“ ROT