: In Leipzig wird gefeiert
Die monatelange Spannung hat ein Ende: Gestern sind die beiden Irak-Geiseln in ihre Heimatstadt zurückgekehrt
DRESDEN taz ■ Das „grüne Band der Hoffnung“, das viele Leipziger am Jackenaufschlag trugen, findet seinen Weg zurück zur Leipziger Nikolaikirche. Dort wich vorgestern Abend die Spannung einem erlösenden Jubel. Um 18.17 Uhr erfuhr Pfarrer Christian Führer von der Freilassung der beiden Geiseln René Bräunlich und Thomas Nitzschke. Die Glocken läuteten. Sogar Sektflaschen wurden daraufhin geöffnet.
Am glaubwürdigsten klingen die Rührung und Erleichterung derer, die seit Monaten regelmäßig hierher kamen. Mehrere hundert sind es immerhin gewesen. Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung ist herbeigeeilt und dankt den Bürgern für ihre Anteilnahme. Nebenbei plaudert er aus, dass ihm schon seit drei Wochen Anzeichen für eine bevorstehende Freilassung bekannt gewesen seien. Im gebührenden Abstand zur Bundeskanzlerin äußert dann auch die sächsische Politprominenz Erleichterung.
Am kommenden Montag soll es einen großen Dankgottesdienst in der Leipziger Nicolaikirche geben. Bei Fußballklub Grün-Weiß Miltitz, wo die beiden Entführten ebenfalls schmerzlich vermisst werden, bleibt am Dienstagabend vom Balltraining nicht viel übrig. Ein Kasten Bier dient spontan als Freudengetränk. Beim Anlagenbauer Cryotec, für den die beiden Entführten im Irak waren, sind um diese Zeit noch viele Kollegen am Arbeitsplatz. Bei ihnen herrscht zunächst fassungsloses Staunen. „Irgendwann haben wir es dann geglaubt“, berichtet Stefan Linke. Firmenchef Peter Bienert spricht sogar von einem „schockartigen Zustand“, den die Glücksgefühle ähnlich der Bestürzung nach Bekanntwerden der Geiselnahme verursacht hätten.
Für den 100. Tag der Haft hatte der Betrieb schon hundert Rosen bestellt, die an der Nikolaikirche aufgestellt werden sollten. Geschäftsführer Bienert stellt klar, dass die beiden Heimkehrer zuerst ihren Familien gehören sollen, die gestern abseits des Medienrummels blieben. Wenn sie sich gut und bereit dazu fühlten, könnten sie jederzeit im Betrieb vorbeischauen. Das Irakgeschäft wird der Anlagenbauer wohl einstellen. Bienert kündigte an, keine weiteren Mitarbeiter in das Krisengebiet zu entsenden. MICHAEL BARTSCH