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Archiv-Artikel

Hilfe für Bedürftige

RECHTLICHER BEISTAND Die Beratungs- und Prozesskostenhilfe soll Bürgern mit schmalem Geldbeutel Justitias Dienste sichern. Doch es ist nicht immer leicht, sie auch zu erhalten

Prozesskosten- und Beratungshilfe

■ Für die außergerichtliche Beratungshilfe sind beim Amtsgericht am Wohnsitz des Rechtsuchenden Unterlagen, aus denen sich ein konkretes Rechtsproblem ergibt, sowie laufende Einkommens- und Ausgabennachweise vorzulegen. Diese Unterlagen werden von einem Rechtspfleger geprüft. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) muss indes an das Gericht gerichtet werden, bei dem der Prozess anhängig gemacht werden soll. Neben der Bedürftigkeit, die anhand einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu belegen ist, werden auch die Erfolgsaussichten des zu führenden Prozesses einer summarischen gerichtlichen Vorprüfung unterzogen. Als Faustregel kann gelten, dass Prozesskostenhilfe nicht gewährt wird, wenn der Richter nach Aktendurchsicht vermutet, dass die Gegenseite gewinnt.

Anträge und Merkblätter zur Beratungshilfe: www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/kg/formularserver/beratungshilfe.html Anträge und Infos zur Prozesskostenhilfe: www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/kg/formularserver/pkh.htm

VON OLE SCHULZ

Wer rechtlichen Beistand benötigt, muss seit Kurzem mehr Geld dafür zahlen. Denn im August wurden die Honorare für Anwälte und Notare angehoben. Die Neuregelung ist Teil des umfassenden „Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes“. Und dieses hat nicht zuletzt Folgen für Menschen, die knapp bei Kasse und auf Hilfe eines Anwalts angewiesen sind, weil durch das Gesetzespaket zur Modernisierung des Kostenrechts auch das Beratungshilfe- und Prozesskostenrecht geändert wird – und damit Gesetze, die Bürgern mit schmalem Geldbeutel Justitias Dienste sichern sollen.

Bevor es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, können Bedürftige einen „Beratungshilfeschein“ für die Konsultation eines Rechtsanwalts beantragen. „Das macht man beim Amtsgericht seines Wohnsitzes“, erklärt Anwältin Susanne Wiesinger von der Berliner Kanzlei Wiesinger und Nawrot. Bei Gericht werde von einem Rechtspfleger anhand der Einkommensverhältnisse und der juristischen Erfolgsaussichten über den Antrag entschieden. Anwältin Wiesinger hält den Versuch, zuerst außergerichtlich eine Lösung zu suchen, für sinnvoll: „Viele Rechtsfragen lassen sich im Vorfeld klären.“

Durch die Gesetzesreform wird nun die einmalige „Schutzgebühr“, die der Mandant für die Beratung zahlen muss, von 10 auf 17,85 Euro angehoben; den Rest der Gebühren für seine Tätigkeit erhält der Anwalt vom Staat. Wenn das Gesetz am 1. Januar 2014 in Kraft tritt, wird Beratungshilfe allerdings weiterhin nicht gewährt, wenn andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist. Zu den Organisationen, die solche Rechtsberatungen durchführen dürfen, zählen Verbraucher- und Schuldnerberatungen, Gewerkschaften, Mieterverbände sowie Ämter und Behörden. Allerdings müsse man dafür zumindest bei Mieterorganisationen und Gewerkschaften Mitglied sein, so Anwältin Wiesinger. Immerhin ist nach der Rechtsprechung eine Verweisung an eine Behörde grundsätzlich dann nicht mehr gestattet, wenn diese bereits eine Entscheidung gefällt hat und ein Rechtsuchender Beratungshilfe für ein Widerspruchsverfahren begehrt.

Für deutlich mehr Aufregung haben jedoch die Verhandlungen über Änderungen der Prozesskostenhilfe (PKH) gesorgt – jenes Instruments, das es Menschen mit wenig Geld ermöglichen soll, „auch vor Gericht anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen“, so Anwältin Wiesinger. Wie viel oder wenig Geld man haben darf, um PKH zu erhalten, war einer der Streitpunkte. Zunächst war im Gesetzesentwurf vorgesehen, die Einkommensgrenze durch eine Absenkung der Freibeträge herabzusetzen. Zudem sollte zugelassen werden, dass Auskünfte über PKH-Antragsteller bei Dritten, wie Finanzämtern und Arbeitgebern, eingeholt werden dürfen.

Nach heftigen Protesten von Anwaltsverbänden, den Gewerkschaften und der Opposition, gab es dazu auch innerhalb der schwarz-gelben Regierungskoalition kritische Stimmen. Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) schimpfte, die Prozesskostenhilfe sei eine „soziale Errungenschaft“, die bewahrt werden müsse, und nach Anhörung der Sachverständigen lenkte erst die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein, Baums Parteikollegin, danach folgten auch die Länder im Bundesrat. So wurde das Gesetz schließlich ohne die genannten Verschärfungen verabschiedet. Hintergrund der Auseinandersetzungen sind die gestiegenen Kosten für die PKH, die sich auf insgesamt über 500 Millionen Euro jährlich belaufen und besonders die Haushalte der Bundesländer belasten.

Laut Juristinnenbund (djb) haben sich die Ausgaben für die Prozesskostenhilfe seit 2005 aber nur um knapp 4 Prozent erhöht, während die Gewerkschaft Ver.di betont, im internationalen Vergleich seien die PKH-Kosten in Deutschland ohnehin gering. Der djb weist zudem darauf hin, dass PKH-Anträge im Familienrecht überdurchschnittlich hoch sind – es geht dabei in der Regel um existenzielle Fragen wie Scheidungen, und die Antragssteller sind hier insbesondere bedürftige alleinerziehende Mütter.

Die PKH-Einkommensgrenze wird nach einem komplizierten Schlüssel errechnet

Doch die individuellen Kriterien, um Prozesskostenbeihilfe zu erhalten, bleiben hierzulande weiterhin ziemlich streng gefasst. So wird die Einkommensgrenze nach einem komplizierten Schlüssel errechnet, bei dem verschiedene Freibeträge angerechnet werden können, zum Beispiel für Kinder. Künftig werden zwar auch die höheren Kosten von Schwerbehinderten und Alleinerziehenden berücksichtigt. Bei einem Grundfreibetrag von 442 Euro sind es aber in erster Linie ALG-II-Bezieher, die finanziell so schlecht gestellt sind, dass sie PKH-berechtigt sind.

Dazu komme noch das Kriterium der „Erfolgsaussicht“, sagt Anwältin Susanne Wiesinger. Und das sei für die Gerichte nicht immer eine leicht zu beurteilende Frage. Es könne auch passieren, dass „nur für einen Teil des Klageentwurfs Prozesskostenhilfe gewährt wird“, so Wiesinger. Wer den Prozess verliert, muss zudem für den gegnerischen Anwalt aufkommen.

Auch sollte man wissen, dass eine „Hinweispflicht“ für jeden PKH-Empfänger besteht, dem Amtsgericht bis zu vier Jahre nach der Bewilligung wesentliche Änderungen der Einkommensverhältnisse mitzuteilen. Sollte sich die finanzielle Situation des Betroffenen in dieser Frist deutlich verbessert haben, kann die PKH zurückgefordert werden. Und das werde, sagt Wiesinger, von den Gerichten auch „stichprobenhaft überprüft“.