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Archiv-Artikel

Millionen für die Rückkehr zur Moderne

WELTERBE Gefördert mit Geld aus dem Konjunkturpaket II, wird die Britzer Hufeisensiedlung in ihren alten Zustand versetzt und energetisch saniert – ebenso wie andere preisgekrönte Siedlungen der Moderne. Konflikte bleiben da nicht aus

Geld vom Bund

■ Wegen der regen Nachfrage nach dem Investitionsprogramm „Sanierung von Welterbestätten“ legt der Bund noch einmal 80 Millionen Euro auf. Die Bewerbungen laufen seit Ende April.

■ Die Deutsche Wohnen will sich erneut bewerben und vor allem Modernisierungen in der Weißen Stadt in Reinickendorf vorantreiben. Mit den Mitteln solle zunächst die Brücke über die Aroser Allee saniert werden, sagt Deutsche-Wohnen-Sprecherin Manuela Damianakis.

■ Auch für die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG, zu deren Besitz unter anderem die Siedlung Schillerpark zählt, dürfte die neue Ausschreibungsrunde interessant sein. „Wir haben die Gebäude bisher mit eigenen Mitteln energetisch instand gesetzt“, sagt Vorstandsmitglied Thorsten Schmitt. Vor allem müssten Nachtspeicheröfen ausgetauscht werden.

■ Die Sanierung der Außenanlagen in der Siedlung Schillerpark hat der Bund mit 300.000 Euro bezuschusst; hier ging es etwa um die Modernisierung von Spielplätzen, außerdem sollten Angebote für Senioren geschaffen werden.

VON KRISTINA PEZZEI

Das mit den Bäumen wurmt Eike Petersen. 98 niedrig wachsende Robinien sollten auf Wunsch der Architektin in die äußeren Vorgärten des Britzer Hufeisens gepflanzt werden. Ganz nach Auflagen des Denkmalschutzes, die bisherigen Bäume waren nämlich viel zu hoch geworden. Doch kurz vor dem Fälltermin schritt das Grünflächenamt ein: Weil 30 der bisherigen Robinien in einer Höhe von 1,30 Meter einen Stammesumfang von mindestens 80 Zentimetern haben, durften sie nicht gefällt werden. „Schauen Sie, die Bäume sind höher als die Häuser“, sagt Petersen und weist auf die Außenfassade am Lowise-Reuter-Ring. So hätten sich die Planer der Welterbe-geschützten Siedlung, Bruno Taut und Martin Wagner, das sicher nicht vorgestellt.

Die Auseinandersetzung zwischen Denkmal- und Naturschutz ist nur eine der Herausforderungen, denen sich Petersen im Auftrag des Eigentümers Deutsche Wohnen stellen muss. Die Hufeisensiedlung in Britz ist in den Fokus von Touristen und Berlinern gerückt, vor allem seit sie vor zwei Jahren unter den Schutz der Unesco gestellt wurde. Den anderen preisgekrönten Siedlungen der Moderne geht es ähnlich. Nachdem im vergangenen Jahr im Zuge des Konjunkturpakets Zuschüsse vom Bund geflossen waren, wird verstärkt in die Sanierung investiert. Ziel ist zum einen die energetische Sanierung, zum anderen ist die Deutsche Wohnen dabei, die Siedlungen auf den Originalzustand zurückzubringen: Farben, Fenster und Balkone wurden von Mietern teilweise wider den Denkmalschutz verändert. Dem Immobilienunternehmen gehören die Hufeisensiedlung, die Weiße Stadt in Reinickendorf und die Spandauer Siemensstadt. Auch die Wohnungsbaugenossenschaft 1892 investiert mit Unterstützung des Bundes in ihre Siedlungen Schillerpark und Gartenstadt Falkenberg.

Insgesamt 8,8 Millionen Euro will die Deutsche Wohnen bis 2013 in die Hufeisensiedlung stecken. Zwei Drittel der Mittel kommen vom Unternehmen, ein Drittel vom Bund. Es geht dabei um die Sanierung vornehmlich des Hufeisens selbst und umliegender Wohnungen. Die ebenfalls unter Unesco-Schutz stehenden Reihenhäuser, die sich in Parallelen durch das Viertel ziehen, verkauft das Unternehmen. Die Strategie verfolgte schon die Gehag, die später von der Deutschen Wohnen übernommen wurde. Seit dem Jahr 2000 sind 423 der insgesamt 679 kleinen, schlichten Häuschen mit Gartenteil verkauft worden.

Die Mieter im Hufeisen wohnen oft seit Jahren in dem Gebäude. „Wer zuzieht, weiß um das historische Erbe“, sagt Architektin Petersen. Die meisten seien froh, dass etwas passiere, bestätigt eine Bewohnerin. „Es sieht ja auch wieder schöner aus, wenn mal gestrichen wurde.“ Und durch die alten Fenster habe es gezogen. Die Mieterin hofft, dass die steigenden Kaltmieten nach der Sanierung durch die Einsparungen bei den Betriebskosten aufgefangen würden. „Das hoffen wir auch“, sagt Architektin Petersen. Eine Sprecherin der Deutschen Wohnen erklärt, noch sei unklar, um wie viel die Mieten steigen werden.

Wohl auch deshalb sind nicht alle Mieter glücklich mit der Sanierung. „Viele bewerten die Maßnahmen schon eher negativ“, sagt Christoff Jenschke. Er ist im Vorstand des Vereins der Freunde und Förderer der Hufeisensiedlung – einer Gruppe, die sich der Imagepflege der Siedlung verschrieben hat und zudem „nach innen“ für den Denkmalschutz werben will. Es müsse noch bekannter gemacht werden, dass mit der Sanierung der Wohnwert verbessert werde, sagt Jenschke. Einfach verglaste Badfenster sind in Teilbereichen ausgetauscht worden, Dachböden wurden gedämmt, Kellergeschossdecken erneuert. Auch die Dachgeschossfenster wurden neu isoliert. Das alles spart Heizkosten fürs gesamte Haus.

Die Maßnahmen werden vom Denkmalamt überwacht. Georg Wasmuth begleitet die Sanierung im Auftrag des Senats. „Im Grunde genommen ist es toll, was dort passiert, man spürt das Engagement dahinter“, sagt der Architekt. Über die Bäume in den Vorgärten schüttelt auch er den Kopf: Natürlich sei es für Politiker selten populär, für das Fällen eines Baumes einzutreten. „Aber in diesem Fall haben selbst die Bezirks-Grünen sich zu Gesprächen bereit erklärt“, sagt er. Die Bäume verdeckten nun einmal die Fassaden und bereiteten mehr Probleme, als sie Freude schafften. Die Zuspitzung der Situation – die Deutsche Wohnen klagt nun gegen den Bezirk – hätte vermieden werden können, sagt Wasmuth. Der Bezirk will sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht zu dem Fall äußern.

Wasmuth beobachtet auch, wie die Eigentümer mit dem Rückbau vorankommen. Balkone, aus denen im Lauf der Jahrzehnte Loggien wurden, eigenmächtig eingebaute Fenster und Türen – all das muss entfernt werden, denn original sah das Hufeisen nicht so aus. Aber Petersen bekräftigt: „Wir versuchen schon, erst einmal mit den Leuten zu reden. Die Bewohner sollen ja ein Gespür fürs Denkmal bekommen.“ Der Architektin ist die Sache eine Herzensangelegenheit: Sie wohnt selbst in einem Haus aus dieser Zeit, nahe der Krummen Lanke. Die dortige Onkel-Tom-Siedlung ist nicht mit in den Welterbestatus gehoben worden, weil in einzelnen Häuserzügen zu viel individuell verändert worden war.

„Die Bewohner sollen ein Gespür fürs Denkmal bekommen“

ARCHITEKTIN EIKE PETERSEN

Auch in der Hufeisensiedlung sieht nicht jeder ein, etwas fürs Welterbe zu tun. Probleme gibt es etwa mit dem Mieter einer Hochparterre-Wohnung in der Stavenhagener Straße. Er weigert sich bislang, seinen verglasten Wintergarten zum Balkon zurückzubauen. Petersen und ihre Kollegen hoffen aber auf den Erfolg weiterer Gespräche. Jenschke vom Siedlungsverein bietet an zu vermitteln. Gegen den Willen von Mietern und ohne Rücksicht etwas umzusetzen, sei langfristig der falsche Weg, sagt er. „Die Keule lehnen wir ab.“

Der Verein wurde vor gut zwei Jahren als Gegenbewegung zu Denkmalschutzgegnern gegründet: Einige Eigentümer wollten dagegen klagen, dass sie eigene Anbauten entfernen sollten. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, über Denkmalschutz aufzuklären und seine Chancen zu zeigen“, so Jenschke. So denkt man etwa darüber nach, gemeinsam mit der Deutschen Wohnen ein Reihenhaus als eine Art Museum herzurichten – mit Originalausstattung und Möbeln. „Farbe und Bodenbelag sollen aus den 20er-Jahren kommen, die Utensilien haben wir zum Teil schon gesichert“, erzählt Petersen. Kernprojekt ist eine Denkmalschutz-Datenbank: In ihr soll detailliert aufgelistet werden, welches Haus in welcher Farbe und mit welcher Außengestalt errichtet wurde. Eigentümer, die renovieren, sollen so eine unkomplizierte Hilfe an die Hand bekommen.

Betrüblich bleibt bis auf Weiteres der Zustand der Treppe an der Fritz-Reuter-Allee, der zu den ebenso traurigen Innenanlagen im Hufeisen führt. Für das Ensemble ist der Bezirk zuständig – der sagte bislang, er habe kein Geld für die Sanierung, Land und Bund müssten zahlen. Dieses Geld ist nun da, so eine Bezirkssprecherin. Im Herbst sollen die Bauarbeiten beginnen, zwei Jahre später die Anlagen in ursprünglichem Zustand glänzen.