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Archiv-Artikel

Jahrhundertrekorde

Der deutsche Leichtathletikverband entscheidet heute über die Bestmarken aus der Hochzeit des Dopings

DARMSTADT dpa ■ Auf einer außerordentlichen Verbandsratssitzung will der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) heute in Darmstadt über den Umgang mit Doping-Rekorden entscheiden. Fest steht bereits, dass eine Annullierung von deutschen Bestmarken, die mit Unterstützung von Doping-Substanzen erzielt wurden, juristisch nicht möglich ist. Eine Expertise von Sportrechtsexperten kam zu dem Ergebnis, dass eine nachträgliche Aberkennung nicht mit Artikel 103 des Grundgesetzes vereinbar ist. „Regeln, die die Aberkennung von Rekorden beim nachweislichen Missbrauch von Doping-Mitteln möglich machen, bestehen für Weltrekorde erst seit 1994 und für DLV-Bestmarken erst seit 1999“, erklärte DLV-Präsident Clemens Prokop.

Es gebe jedoch Gedankenspiele, wie man am Ende der von der ehemaligen Weltklasse-Sprinterin Ines Geipel angeregten Debatte doch noch eine sportpolitische Lösung finden könne. So könnte es zu einer Zäsur kommen und rückwirkend ab 1. Januar 2000 eine neue Rekordliste gelten. Alle vorher erzielten Bestmarken würden als „Jahrhundertrekorde“ geführt. Ein Schnitt wäre auch mit dem Datum der Wiedervereinigung denkbar. „Vor der Vereinigung könnten getrennte Listen mit bundesdeutschen und in der DDR erzielten Rekorden gelten. Danach würden nur noch gesamtdeutsche Rekorde geführt“, so Prokop.

Eine andere Variante wäre, Rekorde zu führen, die seit Einführung der nationalen Doping-Trainingskontrollen im Jahr 1991 aufgestellt wurden. „Durch Trainingstests kann zwar der Einsatz von Doping nicht ausgeschlossen werden. Das Risiko ist seitdem aber höher geworden und die Leistungen sind gesunken“, meinte Prokop. Der DLV-Chef schließt auch nicht aus, dass die Rekordlisten unverändert weiter Bestand haben könnten. „Manche Athleten, an deren Rekorden kein Zweifel besteht, argumentieren, dass eine Annullierung eine zweite Benachteiligung wäre. Im Wettkampf mussten sie sich mit gedopten Konkurrenten schlagen und nach Ende der Karriere würden sie nun noch einmal bestraft“, so Prokop.

Auch wenn sich der DLV zu keinen Änderungen im Umgang mit seinen Rekorden entschließt, ist die Auseinandersetzung mit diesem Thema für Prokop ein Gewinn gewesen. „Es war wichtig, sich grundsätzlich mit dieser Frage beschäftigt, die Quellenanalyse betrieben und Erkenntnisse über Doping-Verfahren gewonnen zu haben“, resümierte er. „Die Verdachtsmomente enden aber 1999.“ Die meisten fragwürdigen Bestzeiten seien in den 80er-Jahren erzielt worden. Dazu gehörte auch der Vereinsweltrekord der 4 x 100-Meter-Staffel des SC Motor Jena aus dem Jahr 1984. Ines Geipel, Mitläuferin jenes Quartetts, hatte mit dem Antrag, ihren Namen aus der Liste streichen zu lassen, weil dieser Rekord mit Doping-Unterstützung zu Stande gekommen sei, die Diskussion angestoßen. Der DLV hatte daraufhin 47 deutsche Rekordhalter angeschrieben und zu einem Gespräch eingeladen. Dabei haben sich westdeutsche Leichtathleten wie der Rekordhalter über 400 m Hürden Harald Schmid gegen eine Relativierung ihrer Bestmarken zu „Jahrhundertrekorden“ ausgesprochen.