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Freud usw.

Sigmund Freud, geboren am 6. Mai 1856, wuchs als Sohn des Wollhändlers Jakob und dessen Frau Amalie im mährischen Freiberg (heute Príbor, Slowakei) auf. Aus der gleichen Gegend stammt die Familie Andy Warhols. Von 1873 bis 1881 Medizinstudium in Wien und Paris. Eine der ersten Schriften: „Über Coca“ – ein neugiergesättigtes Stück Medizinprosa über die Reize der chemischen Stimulation.

Freud, Spross aus jüdischer Familie, verleugnete seine kulturelle Prägung nie – und bestritt doch, mit seiner psychoanalytischen Forschung genuin Jüdisches hervorgebracht zu haben.

1895 publizierte er mit seinem Freund Josef Breuer „Studien über die Hysterie“, vier Jahre darauf, ohne seinen Weggefährten „Die Traumdeutung“, in der er seine Theorie vom Unbewussten vorstellte. Es war eine Zeit des wissenschaftlich-technischen Aufbruchs. 1859 hatte Charles Darwin seine Evolutionstheorie über „Die Entstehung der Arten“ vorgelegt; 1902 entdeckte der Biologe Theodor Boveri die Chromosomen als Träger der Erbanlagen – und im bürgerlichen Schulunterricht wird um 1900 (der Legende nach in Berlin) erstmals Sexualkunde gelehrt.

Freuds Theorie brach mit allem, was wissenschaftlich gängig war – auch in der Medizin. Im Gegensatz zur bürgerlichen Konvention entdeckte er, dass der Mensch schon als Säugling, später als Kind sexuell, erotisch agiert wie reagiert. Auch räumte er mit der Mär auf, das Sexuelle habe in den sekundären Geschlechtsmerkmalen (Vagina, Penis et alii) ihre Quellen – Lust und Begehren seien ohnen Psychisches nicht denkbar: Sex ist, was die Phantasie gebiert.

Die psychoanalytische Orthodoxie glaubt nach wie vor, die Frau leide auf dem Grund ihrer Seele an Penisneid – andere halten dies für eine gute Idee, wenn man den männlichen Vaginaneid mit hinzudenkt. Freud räumte am Ende offen ein, dass ihm die Frau als solche ein Rätsel bleibe, die Frage hinterlassend: „Was will die Frau?“

Die umstrittensten Passagen aus Freuds Schriften, nimmt man die Statements der vergangenen vier Wochen, sind die zur Sexualität. Der Vater der Psychoanalyse hat in seinen „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“ aus dem Jahre 1905 expliziert, ein Natürliches gebe es nicht – schon gar nicht im Sexuellen. Er unterschied, vergröbert gesprochen, das gewöhnliche heterosexuelle Geschlechtsleben von den Perversionen. Letztere wollte er mit diesem Begriff nicht diskreditieren. Vielmehr skizzieren, mit ihm sei nur jenes Sexuelle gemeint, was nicht der Fortpflanzung diene.

Freuds Sicht ist nicht unumstritten. Gerade die dissidenten Zürcher Neopsychoanalytiker um Paul Parin mochten im Zweck seelischen Wachsens, dem der Reife zur Genitalität, nicht das ganze Alphabet der Lüste erkennen. Was früher bei Freud, zeittypisch-ingenieurhaft, Trieb hieß, wird neuerdings auch Begehren genannt.

Was Psychoanalyse jenseits aller Theorie genau ist, darauf wies Freud zurecht hin, erfährt man nur in vivo: direkt auf der Couch, allein mit dem oder der PsychoanalytikerIn. Tanja Dückers, Schriftstellers, wies jüngst darauf hin, dass dort niemals die Schlüsselwörter der Freudschen Lehre gelernt werden – Neurose, Paranoia, Übertragung, Perversion, Ödipus oder Hysterie. Gespielt wird auf dem Platz, wo alle Theorie grau wird: Da fühlen sich alle Psycho-Talk-Nerds naturgemäß untröstbar. JAF

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