Ein Fuchs wie du und ich

HIPPEN EMPFIEHLT In „Der fantastische Mr. Fox“ lässt Wes Anderson durch die schöne alte Stop-Motion-Technik einen immer perfekt gekleideten Hühnerdieb lebendig werden

Wie in der Augsburger Puppenkiste wurde Wasser mit Zellophan, Rauch mit Baumwollbäuschen und Gras mit Frottee-Handtüchern gebastelt

VON WILFRIED HIPPEN

Trickfilme sind inzwischen längst der von Papa Disney beherrschten Kinderstube entwachsen, und es gibt ambitionierte Animationen wie „Persepolis“ und „Waltz with Bashir“. So haben nun auch die Exzentriker des amerikanischen Kinos dieses Stilmittel für sich entdeckt, um dem schnöden Realismus für ihre eigentümlichen Visionen noch radikaler zu entkommen. Spike Jonze versank bei seiner Adaption des Kinderbuchs von Maurice Sendak „Wo die wilden Kerle wohnen“ leider zu sehr im Absonderlichen, sodass seine Figuren auf der Leinwand nie wirklich lebendig wurden. Wes Anderson ist dagegen in seinen Filmen nie so extrem vom Konzept, sondern immer mehr von den Charakteren ausgegangen, und so wirkt in seinem animalischen Familienfilm jedes Tierchen sehr menschlich, obwohl es im altmodischen Stop-Motion-Verfahren animiert wurde, und Anderson nie versucht, diese Künstlichkeit zu kaschieren.

So wirkt „Der fantastische Mr. Fox“ wie ein Gegenentwurf zu den gerade so erfolgreichen 3-D-Animationen wie „Shrek“ oder „Toy-Story“, bei denen etwa mit riesigen Rechenkapazitäten der Computer versucht wird, Haare so realistisch wie nur möglich fallen zu lassen. Wie einst in der Augsburger Puppenkiste wurde dagegen hier Wasser mit Zellophan, Rauch mit Baumwollbäuschen und Gras mit Frottee-Handtüchern gebastelt. Das hat viel vom Charme der Modelwelt einer Spielzeugeisenbahn, und man freut sich über jedes schön gebaute Detail, mit dem die Realität nicht nachgeäfft, sondern sanft karikiert wird.

Und ganz ähnlich geht Anderson auch mit seinen Figuren um. Der Titelheld ist ein schmucker Fuchs – immer tadellos gekleidet und Herr der Lage. So klaut er Hühner wie ein Gentleman-Dieb und bevorzugt dabei raffinierte und riskante Einbrüche à la „Rififi“. Einmal landen er und seine elegante Gattin so in einem Käfig, und er schwört, mit dem Verbrecherleben aufzuhören, wenn die beiden noch einmal entkommen können. So sucht er sich einen anderen Beruf, schreibt Kolumnen für die Lokalzeitung des Tierreiches und weil er von den großen Plänen nicht lassen kann, ziehen er und seine Familie aus dem proletarischen Fuchsbau in ein herrschaftliches Baumhaus, denn was zählt schon ein natürlicher Lebensraum, wenn es um Stilfragen geht?

Wes Anderson mag solche selbstverliebten und neurotischen Helden, die alle anderen in Schwierigkeiten bringen und dabei dennoch nie eine verquere Unschuld bewahren, die sie liebenswert und natürlich auch komisch wirken lässt. Gene Hackmanns Rabenvater in „The Royal Tenenbaums“ oder der von Bill Murray gespielte durchgeknallte Steve Zissou in „Die Tiefseetaucher“ sind Seelenverwandte von Mr. Fox, und wenn dieser in der Originalfassung mit der Stimme von George Clooney ausgestattet ist, wird endgültig klar, dass hier wieder eine von den verqueren Familiengeschichten erzählt wird, als die sich bisher noch jeder Film von Anderson entpuppte. Dabei basiert „Mr. Fox“ auf einer Kindergeschichte von Roald Dahl – aber auch der hat ja nie niedliche Geschichten für die lieben Kleinen geschrieben, sondern in diesen immer eine dunkle Ahnung von der alles andere als heilen Erwachsenwelt geweckt.

Die Visionen von Dahl und Anderson befruchten einander, und so ist „Der fantastische Mr. Fox“ zugleich ein spannendes Abenteuer, in dem die Tiere des Waldes die drei passend benannten Bauern Grob, Grimm und Gräulich austricksen und eine Komödie, in der Vater Fox an den pubertären Problemen seines Sohnes zu scheitern droht. Frau Fox hat übrigens die Stimme von Meryl Streep. Wer hat wohl bei den Füchsen die Hosen an?