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Archiv-Artikel

Gott ist zum Realo geworden

KABARETT Eckart von Hirschhausen macht in seiner Bibelarbeit vor 2.000 Besuchern Lust auf die Entdeckung der Spiritualität durch Humor

VON PHILLIP GESSLER

Es gibt nicht wenige Menschen, die Eckart von Hirschhausen weder witzig finden noch für besonders sympathisch halten – aber hier in Halle B3 des Messegeländes von München waren sie nicht anzutreffen. Die Halle war proppenvoll, rund 2.000 Christen wollten sich am Donnerstag anhören, was der Berliner Arzt und Kabarettist in einer Bibelarbeit zu sagen hatte.

Und, das muss man einräumen, schon der erste religiös angehauchte Satz des adligen Christen brachte den Saal fast zum Jubeln.

Von Hirschhausen erinnerte an das Lied seines Kölner Kabarettkollegen Jürgen Becker mit dem Titel „Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin.“ Und ergänzte: „Heute ist das ja eher andersrum.“ Aber, sagte er, „die paar Christen, die es noch gibt, sollten sich nicht gegenseitig bekämpfen“.

Eckart von Hirschhausen macht aus seiner christlichen Gesinnung keinen Hehl, natürlich weder hier noch vor rund einem Jahr, als er die am Ende klar gescheiterte „Pro Reli“-Initiative in Berlin zur Einführung eines Wahlpflichtfachs Religion unterstützte.

Ein Theologe aber ist er nicht, und so war seine Auslegung der vorgegebenen Bibelstelle (Genesis 9, 8–17) über Noah und den Regenbogen Gottes nach dem Ende der Sintflut für hiesige Verhältnisse ziemlich originell.

Mücken auf der Arche

Es gab ein paar Kalauer, etwa: „Warum hat Noah auf die Arche eigentlich auch zwei Mücken mitgenommen?“ Oder: „Die Sintflut war die größte Rückrufaktion der Geschichte.“ Besser saß da schon: „Gott hat die Entwicklung der Grünen durchgemacht: vom Fundi zum Realo.“ Denn nach der Sintflut nehme Gott die Menschen so, wie sie eben seien.

Von Hirschhausen ließ das Publikum auch ein paar körperliche Übungen machen, die entfernt etwas mit einem Regenbogen zu tun haben sollten: So forderte er die Christen auf, sich an den Händen zu fassen und sich gegeneinanderzustemmen, auf dass ein Bogen aus zwei Körpern entstehe. Dankbar nimmt ein Kirchentagspublikum solche körperlichen Betätigungen an. Das hat schon Tradition, denn einander zu berühren findet dem Nennwert nach immer Anklang.

Keine Frage, von Hirschhausen traf hier genau den Ton, der von ihm erwartet wurde. So auch mit der Sentenz: „Das gebrochene Licht ist das Licht, das uns am meisten rührt“, wie der Kabarettist in Anlehnung an das gebrochene Licht des Regenbogens sagte, „denn das Gebrochene ist spannender als das Heile“.

Als Arzt lobte von Hirschhausen dann noch die heilende Wirkung von Placebos, die am Ende nur durch „Glaube, Liebe und Hoffnung“ wirkten. Um daraufhin zum schillernden Bonmot zu kommen: „Placebo ist gelebtes Christentum – und es ist wirksam.“

Der christliche Kabarettist rief schließlich dazu auf, den Humor als eine Form der Spiritualität wiederzuentdecken. Und so etwas hört man auf den meist sehr, sehr ernsten und jedenfalls sehr deutschen Kirchentagen schrecklich gern.