Warten auf die Akteneinsicht
GEHEIMDIENST Der Spitzeleinsatz beim Berliner Sozialforum bleibt weiter ein Thema für Gerichte
Jahrelang waren die Spitzel beim Berliner Sozialforum mit dabei: als es gegen den Bankenskandal protestierte, als es zum Schwarzfahren aufrief, als es sich mit der Berliner Tafel traf. Im Sommer 2006 flogen die V-Leute auf – gleich fünf hatte der Verfassungsschutz in die Gruppe aus Gewerkschaftern, Attac und anderlei Aktivisten eingeschleust. Wenig später löste sich das Sozialforum auf.
Sieben Jahre später beschäftigt der Fall noch immer die Gerichte. Am Mittwoch verhandelte das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig darüber, ob die Bespitzelten endlich die Geheimdienstakten über das Sozialforum einsehen dürfen. 20 Mitglieder der Gruppe hatten das beantragt, die Innenverwaltung lehnt es bis heute ab: weil sonst Arbeitsweise und Quellen des Verfassungsschutzes öffentlich würden.
Schlug sich das Berliner Verwaltungsgericht noch auf Seiten der Aktivisten, gab das Oberverwaltungsgericht 2011 dem Geheimdienst recht. Das Bundesverfassungsgericht hob das Urteil am Mittwoch nun auf und verwies die Entscheidung zum Oberverwaltungsgericht zurück. Die Gründe würden erst in einigen Wochen veröffentlicht, sagte eine Sprecherin.
Fehlende Balance
Peter Grottian, emeritierter Politikprofessor und Sozialforum-Mitbegründer, war vor Ort und sagte, das Gericht habe „offenkundig“ die fehlende Balance zwischen Sicherheit und Bürgerrechten missbilligt. Er sprach von einem „Erfolg“ für die Aktivisten.
Grottian hat bisher als Einziger vom Sozialforum Akteneinsicht erhalten, aber nur in Passagen über seine Person. Seit Jahren fordert Grottian die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Nach der Leipziger Entscheidung hofft er, dass die Rechte des Geheimdienstes „endlich aufgebrochen“ werden. KONRAD LITSCHKO