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Archiv-Artikel

Ausländermaut light

VERKEHR EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hält Pkw-Maut auch dann für zulässig, wenn Deutsche zugleich bei der Kfz-Steuer entlastet werden: „keine Diskriminierung“

VON CHRISTIAN RATH

FREIBURG taz | Es sind nur neun Sätze, doch sie werden die deutschen Koalitionsverhandlungen spannend machen. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hat nichts dagegen, wenn in Deutschland eine Pkw-Maut für alle Autofahrer eingeführt wird, gleichzeitig die deutschen Autofahrer aber eine Kompensation bei der Kfz-Steuer bekommen. Das schrieb Kallas als Antwort auf eine Anfrage aus dem Europaparlament.

Auslöser der Diskussion ist die CSU, die im Bund unbedingt eine „Maut für Ausländer“ durchsetzen will. Dafür hat sie schon bei den letzten Landtagswahlen geworben, und bei den Bundestagswahlen ebenso. CSU-Chef Horst Seehofer hat sich festgelegt. „Ich unterschreibe als CSU-Vorsitzender nach der Bundestagswahl keinen Koalitionsvertrag, in dem die Einführung der Pkw-Maut für ausländische Autofahrer nicht drinsteht.“

Kanzlerin Angela Merkel hatte sich zunächst ebenfalls festgelegt. „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“, sagte sie im TV-Duell mit SPD-Konkurrent Peer Steinbrück. Angesichts von Seehofers Starrköpfigkeit relativierte sie das schnell wieder. „Kluge Politik bringt immer auch verschiedene Sichtweisen zusammen“, sagte sie später in einem Interview. Auch die SPD hoffte wohl, dass Seehofers Pläne schon daran scheitern würden, dass sie gegen EU-Recht verstoßen.

Seehofers Kernforderung, eine Maut nur für Ausländer, ist auch eindeutig rechtswidrig. Denn nach Artikel 18 EU-Arbeitsvertrag ist „jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten“.

Kallas war vom grünen Europaabgeordneten Michael Cramer aber gefragt worden, ob es zulässig ist, wenn Deutschland eine Maut für alle einführt und gleichzeitig die deutsche Bevölkerung bei der Kfz-Steuer entlastet – der „Plan B“ der CSU.

Bisher war auch dies in Deutschland als unzulässig angesehen worden. Selbst CSU-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer erklärte 2012, die einseitige Mehrbelastung von ausländischen Verkehrsteilnehmern „käme faktisch einer Diskriminierung gleich“ und verstoße deshalb gegen EU-Recht.

Kallas teilt diese Ansicht nicht. Es gebe keine EU-Vorgaben für die Kfz-Steuer von Pkws. Die Mitgliedsstaaten könnten deren Höhe deshalb „nach eigenem Ermessen festlegen“. Eine Senkung als Ausgleich für die Einführung einer Maut für alle sei deshalb „keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit“, so Kallas.

Völlig überraschend ist das nicht. Als in Deutschland 2005 eine Maut für Lkws eingeführt wurde, diskutierte man ebenfalls über Kompensationen. Am Ende wurde unter anderem die Kfz-Steuer für hiesige Speditionen gesenkt. Die EU-Kommission hatte keine Einwände.

Ein Kommissionssprecher stellte inzwischen klar, dass es nicht zulässig wäre, die Kfz-Steuer unverändert zu lassen und allen deutschen Autofahrern eine kostenlose Vignette auszuhändigen. Außerdem dürfe es nicht nur teure Jahres-Vignetten geben. Für den ausländischen Transit-Verkehr müssten auch billigere Kurzzeit-Vignetten angeboten werden.

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