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Archiv-Artikel

DIE UNION SUCHT NEUEN GRUND, DIE BUNDESWEHR IM INNERN EINZUSETZEN Das Spiel mit der Angst

Allmählich fängt es an zu nerven. Es ist das gute Recht der Union, für einen möglichen Einsatz des Bundeswehr im Inneren zu kämpfen. Aber es ist verantwortungslos, dafür Ängste in der Bevölkerung zu schüren und die Verfassung zu behandeln wie einen sanierungsbedürftigen Altbau, in dem ein Raum nach dem anderen renoviert wird. Das Grundgesetz ist keine Großbaustelle.

Eine Zeit lang konnte man den Eindruck gewinnen, die Fußballweltmeisterschaft dürfe ohne die Unterstützung der Bundeswehr nicht stattfinden. Davon ist heute keine Rede mehr. Als Szenario ausgedient hat auch die entführte Passagiermaschine, die abgeschossen werden muss, um im Falle eines Terrorangriffs eine noch höhere Zahl von Opfern zu verhindern. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass eine solche Aktion durch keine noch so zierliche Grundgesetzänderung legalisiert werden kann, weil Menschenleben nicht gegeneinander verrechnet werden dürfen. Seither ist von – reichlich unwahrscheinlichen – Attacken mit unbemannten Flugzeugen die Rede. Was kommt als Nächstes?

Wahr ist, dass eine sicherheitspolitische Grundsatzdebatte überfällig ist. Die Rahmenbedingungen haben sich fundamental geändert, seit 1994 das letzte Weißbuch zur Bundeswehr erschienen ist und das Verfassungsgericht sein Urteil zur deutschen Beteiligung an Auslandseinsätzen gefällt hat. Es ist unerträglich, dass auf einer derart wackligen Rechtsgrundlage so weitreichende Entscheidungen gefällt wurden wie die Teilnahme am Kosovo-Einsatz, der von zahlreichen Fachleuten als völkerrechtswidriger Angriffskrieg gewertet wird.

Eine Änderung des Grundgesetzes dürfte solche Aktionen eher erschweren als erleichtern, da kaum eine Formulierung vorstellbar ist, die eine derartige Operation legitimiert. Gegner einer Militarisierung der Außenpolitik haben deshalb keinen Anlass, prinzipiell jede Verfassungsreform abzulehnen. Wer jedoch das Grundgesetz ratenweise zu ändern wünscht, zeigt damit, dass es ihm gar nicht um eine neue Definition von Prinzipien geht. Sondern dass er der Hoffnung huldigt, steter Tropfen werde den Stein irgendwann höhlen. Diese Hoffnung sollte enttäuscht werden. BETTINA GAUS