: Ministerin will Witwen trösten
AFGHANISTAN Auf dem Kirchentag entdeckt Bundesfamilienministerin Kristina Schröder die Soldaten für sich. Sie fordert mehr gesellschaftliche Unterstützung für die deutsche Bundeswehr. Und niemand stellt das in Frage
AUS MÜNCHEN MARTIN KAUL
Wieso, Frau Ministerin, gehen Sie hier nur zu den Soldaten? Missbrauch, die Rolle der Frau, Jugendarbeit … sind das keine Themen für Ihren Kirchentagsbesuch? Doch für diese Journalistenfrage hat Kristina Schröder (CDU) keine Zeit. Sie stürmt aus der Halle hin zu ihrem Flugzeug.
90 Minuten sind vergangen. Ein offenes Forum, ein warmer Empfang. Und doch ist es ein kleiner Grenzgang und ein Neubeginn. Auf diesem Podium sitzt nicht Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Verteidigungsminister ist einer der wenigen Unionsminister, die nicht auf dem Kirchentag in München sind. Hier, bei der evangelischen und katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung, sitzt Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Sie will Soldatenwitwen trösten. Das Neue daran? Dass alle hier nur nicken.
43 deutsche Soldaten sind seit Beginn des deutschen Afghanistan-Einsatzes 2001 bereits ums Leben gekommen. Erst am Donnerstag schoss ein Bundeswehrsoldat versehentlich einen Kollegen an. Noch im Februar hatte der Deutsche Bundestag das deutsche Kontingent auf maximal 5.350 Soldaten erhöht. Und Verteidigungsminister zu Guttenberg hatte erst Ende April betont: „Tod und Verwundung sind Begleiter unserer Einsätze geworden, und sie werden es auch in den nächsten Jahren sein – wohl nicht nur in Afghanistan.“ Das ist der Rahmen für den Dienstbesuch. Kristina Schröder will ein Zeichen setzen.
In München spricht sie nicht über Gleichstellung, nicht über Kindergeld und Kita-Plätze. Sie spricht über den Ernst der Lage. Mit Soldatinnen, Soldaten, mit deren Kindern und mit zurückgebliebenen Heimatfrauen. Einige haben ihre Männer verloren. Andere vermissen sie nur. „Soldatenfamilien und Einsatzbelastung – familiäre, gesellschaftliche und kirchliche Herausforderungen“ ist das Thema. Rund 80 Menschen sind da. Und am Afghanistan-Einsatz zweifelt hier niemand.
„Wir brauchen mehr Mitgefühl für die deutschen Soldaten und ihre Familien. Das erwarte ich gerade auch von denjenigen, die den Afghanistan-Krieg ablehnen“, sagt die Ministerin. Und sie vertritt ihren Verteidigungsminister gut: Der Einsatz von Soldaten müsse ähnlich wie in den USA stärker gewürdigt werden. Bei Sportveranstaltungen sollte künftig auch an die deutschen Bundeswehrsoldaten im Ausland erinnert werden, sagt sie. Dann klatschen alle.
Es ist das kleine Klatschen, das zum großen werden soll. In dieser kleinen Turnhalle, entfernt von den Massen der Menschen, ist Frau Ministerin ein Hoffnungszeichen. Hier und heute unter dem Dach des Kirchentages, benickt von kirchlichen Militärseelsorgern, verstanden von SoldatInnen. Kritisiert von niemandem.
Offene Worte wollen sie. Sie kriegen sie: „Die Politik muss die Dinge beim Namen nennen. Man kann einen solchen Einsatz wie in Afghanistan heute nicht mehr mit Brunnenbauen begründen. Da muss die Politik mutiger werden“, sagt die Familienministerin. Und nun gehört auch sie dazu. Der Krieg ist da, auch in der deutschen Familienpolitik.
Seit Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg vor einigen Monaten erstmalig von „kriegsähnlichen Zuständen“ gesprochen hatte, bemüht sich die Bundesregierung verstärkt um eine gesellschaftliche Anerkennung des Afghanistan-Einsatzes. Ende April hatte zu Guttenberg gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an einer Trauerfeier für vier getötete Soldaten teilgenommen. Der Deutsche Bundestag hielt eine Gedenkminute für gestorbene deutsche Soldaten ab. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte dazu: „Der Deutsche Bundestag und die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes verneigen sich vor den Toten.“ Kristina Schröder hat sich auch verneigt – jetzt fliegt sie heim.