: Vom Protestcamp in ein Haus
FLÜCHTLINGE Pläne für Auflösung des Zeltlagers in Kreuzberg
BERLIN taz | Über ein Jahr hat eine vorwiegend aus afrikanischen Ländern kommende Flüchtlingsgruppe in Berlin-Kreuzberg in Zelten gelebt. Jetzt haben Senat und Bezirk ein Haus angeboten: ein ehemaliges Hostel mit 100 Plätzen in Friedrichshain, das von einem Träger der Obdachlosenhilfe betreut wird.
Zwischen 50 und 150 Flüchtlinge leben im Protestcamp auf dem Oranienplatz. Die meisten sind über Lampedusa nach Europa eingereist, verfügen über in Italien ausgestellte, befristete Aufenthaltspapiere. Die Gruppe nennt sich Lampedusa-Gruppe und führt im Camp das Wort.
Am Donnerstag diskutierten die Campbewohner auf einem Sonderplenum, wer alles in das neue Haus einziehen möchte. Ein Wort gab das andere. Alle möchten einziehen. Sorge wurde laut, der Platz könne nicht reichen. Teile der Lampedusa-Gruppe reklamierten deshalb für sich einen Alleinanspruch auf das Haus. Ihre Rechtfertigung: Andere Flüchtlinge aus dem Camp hätten in Deutschland Asyl beantragt und einen Platz in einem „Lager“ – womit Asylbewerberheim gemeint ist. Es gab Widerspruch. „Alle sollen einziehen, die mit uns gekämpft haben“, meinten einige.
Der Umzug ist in zwei bis drei Wochen geplant. Schon jetzt stehen über 100 Anwärter auf nach Herkunftsländern unterteilten Listen. Konflikte sind vorprogrammiert. Wer Anspruch hat, wollen Bezirksamtsmitglieder in den nächsten Tagen mit den Flüchtlingen in Arbeitsgruppen festlegen. Externe Moderatoren sollen die Gespräche begleiten. Auch Regeln für das Zusammenleben im Haus sollen aufgestellt und Zugangsbeschränkungen ersonnen werden.
Abschreckendes Bespiel sind die chaotischen Zustände in einer 2012 besetzten Schule in Kreuzberg. Nicht nur in Flüchtlings- und Romakreisen kursiert die Adresse, auch unter Obdachlosen. „Ein offenes Haus soll es nicht werden“ – zumindest in dem Punkt herrscht im Camp Einigkeit. PLUTONIA PLARRE
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