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Archiv-Artikel

„Ein freies Spiel mit Formen“

Über das Bauen mit dem Philosophen Nietzsche

Von MAP
Alexandre Kostka, 47

■ lebt in Paris und lehrt deutsche und europäische Kulturgeschichte in Straßburg. 1999 gab er den Band „Nietzsche and ‚An Architecture of Our Minds‘“ mit herausFoto: Privat

taz: Herr Kostka, „Auf dem Weg zu einer Nietzscheanischen Architektur“, so ist Ihr Vortrag angekündigt. Das klingt gruselig, nach Bauen für den Übermenschen.

Alexandre Kostka: Das wäre ein einseitiges Verständnis. Eine architektonische Besinnung auf Nietzsche muss aber nicht in monumentale NS-Architektur einmünden, sondern kann Raum lassen für verschiedene Spielarten. Das möchte ich am Beispiel der Architektur von Henry van de Velde und Le Corbusier zeigen.

Der eine ist als Erbauer der Jugendstil-Villa bekannt, der andere für die seelenlose Wohnmaschine. Wo ist denn da der gemeinsamer Nenner?

Beiden geht es darum, mit der überkommenen Architektur aufzuräumen, tabula rasa zu machen. „Wie ich mir freie Bahn schuf“, lautet der Titel eines Aufsatzes von van de Velde, auch Le Corbusier hat nur Hohn für seine Vorgänger übrig. Beide eint die Überzeugung, für die Zukunft zu bauen, und beide beziehen sich dabei zurück auf das klassische und vorklassische Griechenland.

Beim Philosophen Friedrich Nietzsche gehörte die Zukunft ja nur einigen wenigen, den „Neuen Menschen“. Wie stehen van de Velde und Le Corbusier zur Elite?

Sie betrachteten sich erst mal selbst als Elite. Van de Velde etwa schwor auf einen kosmopolitischen Geist der Aristokratie, wie er ihn bei seinem Freund Harry Graf Kessler verkörpert fand. Bei Le Corbusier liegt der Fall komplizierter: Er sah sich als Schöpfer harter Formen, die der gesamten zukünftigen Gesellschaft zugute kommen sollten.

Wie steht es heute um „Nietzscheanische Architektur“?

Der Gedanke ist lebendig geblieben, vor allem dort, wo es um sprechende Architektur geht: um Architektur, die auf Experimente und ein freies Spiel der Formen setzt, wie es mit der Postmoderne wieder aufgekommen ist. INTERVIEW: MAP

19 Uhr, HCU, Aula, Averhoffstr. 38