Keine doppelten Gutachten

REISEFÄHIGKEIT SPD und Grüne kritisieren, dass die Ausländerbehörde das Gesundheitsamt überging, um Asylbewerber abzuschieben. Für die Linke ist Rot-Grün dafür verantwortlich

„Diese Diskussion hatten wir 2006 schon mal. Das Ergebnis war, dass man das nicht machen kann.“

Winfrid Brumma, SPD

Von Christian Jakob

Bremer Politiker haben die Versuche der Ausländerbehörde kritisiert, am Gesundheitsamt vorbei kranke Asylbewerber abzuschieben. „Das Gesundheitsamt hat hier die Kompetenzen. Deren Diagnosen sollen gelten, ich weiß ich nicht, weswegen es da noch doppelte Gutachten geben müsste,“ sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Winfried Brumma.

Kürzlich war bekannt geworden, dass die Ausländerbehörde mehrfach versucht hatte, Geduldete abzuschieben, obwohl diese von Ärzten, darunter auch Amtsärzte, als psychisch krank und deshalb nicht reisefähig eingestuft worden waren (taz vom 14.05.). 2005 wollte der damalige Innensenator Thomas Röwekamp (CDU), dem Gesundheitsamt die Zuständigkeit für die Reisefähigkeitsgutachten offiziell entziehen, weil dessen Ärzte Abschiebungen oft verhindert hatten. Er scheiterte jedoch mit dem Versuch, die Gutachten von Hamburger Ärzten erstellen zu lassen. „Die Diskussion hatten wir 2006 schon mal,“ sagt Brumma. „Das Ergebnis war, dass man das nicht machen kann.“ Seitdem hat die Ausländerbehörde aber offenbar weiter versucht, sich eigene Gutachter zu suchen, wenn ihr die Diagnosen des Gesundheitsamtes nicht gefielen.

„Wir haben nach Röwekamp einen Paradigmenwechsel gemacht. Nach zwölf Jahren großer Koalition dauert es aber, bis Veränderungen in der Alltagspraxis ankommen,“ meint dazu die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Zarah Mohammadzadeh, die 17 Jahre lang im Gesundheitsamt für den Bereich Gesundheitsversorgung von Migranten zuständig war. Vor dem Regierungswechsel „haben wir im Gesundheitsamt gesagt, dass wir uns nicht zum Handlanger der Politik machen lassen und deswegen Standards festgelegt, wie Ärzte begutachten sollen.“ Doch auch wenn so schon vor Jahren Rahmenbedingungen geschaffen worden seien, „müssen wir die Verwaltung auch in der Praxis davon überzeugen, damit es auch eine andere Politik gibt.“ Sie lobte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) dafür, dass der in der vergangen Woche seine Entschlossenheit bekräftigt habe, die rechtliche Lage von langjährig Geduldeten zu verbessern.

Die migrationspolitische Sprecherin der Linken-Bürgerschaftsfraktion, Sirvan Cakici, kritisierte derweil den Senat: „Dass sich unter Rot-Grün ein Paradigmenwechsel zum Positiven vollzieht, ist eine krasse Fehleinschätzung,“ sagte Cakici. Dass amtsärztliche Gutachten übergangen wurden „läuft unter rot-grüner Verantwortung.“ Es verdichte sich der Eindruck, dass die Ausländerbehörde zunehmend bereit sei, „sich in rechtliche Grenzbereiche zu begeben, um abschieben zu können statt zu dulden. Dieser Kurs ist nicht akzeptabel,“ so Cakici.