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Archiv-Artikel

Großdemo für den Sprit vom Acker

Die Branche für Biokraftstoffe macht mobil: Tausende wollen heute in Berlin gegen die Besteuerung von Biodiesel demonstrieren. Denn von der Politik der Bundesregierung profitieren vor allem die großen Mineralölkonzerne

VON TARIK AHMIA

Es soll ein Befreiungsschlag werden: Die versammelte Biokraftstoffbranche demonstriert heute vor dem Brandenburger Tor gegen die geplante Besteuerung von Biotreibstoffen. Redner aus allen politischen Lagern unterstützen die Aktion, die von einem Dutzend Verbände wie Eurosolar, der Fördergemeinschaft erneuerbarer Energien und dem Bundesverband Biogene Kraftstoffe organisiert wird.

Mit dem Protest will die Branche bessere Rahmenbedingungen für Biokraftstoffe durchsetzen. Die werden sich ab August zunächst verschlechtern: Das Energiesteuergesetz tritt dann in Kraft und belegt den in Deutschland überwiegend aus Raps gewonnen Biodiesel erstmals mit 10 bis 15 Cent Steuern. Über die endgültige Höhe des Steuersatzes wird voraussichtlich am 17. Mai im Finanzausschuss des Bundestages entschieden.

Nach der jetzigen Planung soll dieser ermäßigte Steuersatz für reinen Biodiesel aber nur bis Ende 2009 gelten. Danach wäre der volle Dieselsteuersatz von derzeit 47 Cent fällig. Biodiesel könnte dann an der Zapfsäule sogar teurer werden als fossiler Diesel. „Das würde die Markteinführung von Biodiesel um Jahre zurückwerfen“, sagte SPD-Energieexperte Hermann Scheer. „Der ermäßigte Steuersatz muss für alle Reinkraftstoffe mindestens bis 2015 gelten“, forderte deshalb Gerd Sonnenleitner gestern. Der Präsident des deutschen Bauernverbandes sagte, nur mit mehr Planungssicherheit für die Produzenten sei die Strategie „Weg vom Erdöl“ zu erreichen.

Auch die langfristige Förderpolitik der Bundesregierung steht unter dem Beschuss der Biokraftstoff-Produzenten. Die Bundesregierung hatte in der vergangenen Woche bekannt gegeben, den Absatz der Branche vor allem durch eine gesetzlich vorgeschriebene Beimischung pflanzlicher Kraftstoffe zu fossilen Kraftstoffen zu sichern. Sie liegt für Biodiesel ab 2007 bei 4,4 Prozent. Ethanol, überwiegend aus Zuckerrüben und Getreide hergestellt, soll zu 2 Prozent normalem Benzin beigemischt werden. „Damit wird die Biokraftstoffbranche an die Mineralölkonzerne ausgeliefert“, kritisierte Hermann Scheer. Die Mineralölkonzerne seien daher die wahren Gewinner der Regelung.

Umstritten ist auch, wie stark die Ölkonzerne ihrer Beimischungspflicht durch billige Pflanzenfettimporte nachkommen. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) forderte gestern, die Nutzung tropischer Lebensmittelpflanzen wie Palmöl oder Soja gesetzlich zu erschweren. Denn es drohten riesige Palmöl-Plantagen in Regenwäldern, die die dortigen Ökosysteme zerstören.

Diese Sorge teilen die Produzenten von Biodiesel allerdings nicht. „Importierte Fette lassen sich nur begrenzt beimischen, weil sie nicht kältefest sind“, sagt Karin Retzlaff vom Verband deutscher Biodieselhersteller. Die klar definierte Norm werde am besten mit heimischem Rapsmethylester erreicht.

Umweltverbände plädierten gestern dafür, Biokraftstoffe abhängig von ihrer ökologischen Gesamtwirkung differenziert zu besteuern. In einer neuen Studie fordern Ökonomen des Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) Biodiesel wie fossilen Diesel voll zu besteuern, da die Ökobilanz von Biodiesel gegenüber fossilen Kraftstoffen keine Vorteile aufweise. Denn beim Anbau von Raps und Getreide werden durch das Düngen der Felder und den Spritverbrauch der Landmaschinen Emissionen frei, die man in der Gesamtbilanz berücksichtigen müsse.

Bauernpräsident Sonnenleitner hält diese Logik für absurd: „Biodiesel ist der erste Schritt, langfristige Alternativen zu fossilen Treibstoffen zu entwickeln.“ An neuen Biotreibstoffen mit einer besseren Ökobilanz werde bereits gearbeitet.