: Länder bauen Zäune statt Ganztagsschulen
Bundesrechnungshof und Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft kritisieren Ganztagsschulprogramm. Bundesländer verwendeten Fördermittel nicht für Ausbau von Ganztagsschulen. Bund will Vorwürfe prüfen
BERLIN taz ■ Das Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung ist heftig in Kritik geraten. Gewerkschafter und Bundesrechnungshof werfen den Ländern vor, die Fördermittel nicht wie vorgesehen für den Ausbau von Ganztagsschulen zu verwenden. Dem Bund fehle es zudem an Kontrollmöglichkeiten.
Das von Ex-Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) geschaffene Ganztagsschulprogramm gewährt den Ländern bis 2007 vier Milliarden Euro für neue Ganztagsschulplätze. Das Geld darf aber nur für bauliche Zwecke, etwa für Mehrzweckräume, verwendet werden.
Kontrollieren kann der Bund die Verwendung jedoch nicht. „Die Befürchtung war von Anfang an, dass eine Zweckentfremdung nicht auszuschließen ist“, so Marianne Demmer, Vizevorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. In Bayern und Baden-Württemberg seien Fördermittel benutzt worden, um die Schulzeit an Gymnasien von neun auf acht Jahre zu drücken. Die Folge seien keine Ganztagsschulen, sondern „überlange Halbtagsschulen“. Deutlich werde, wie unsinnig eine strikte Aufgabentrennung zwischen Bund und Ländern sei. „Kontrollen wurden von Anfang an ausgeschlossen, da sonst die Unionsländer nicht mitgemacht hätten“, so Demmer.
Ein Gutachten des Bundesrechnungshofes wirft den Ländern vor, mit dem Geld Schuldächer, Einfahrten und Zäune zu sanieren, anstatt in Ganztagsschulen zu investieren. Das Programm sei „nicht das geeignete Instrument, um die verfolgten Ziele effizient zu erreichen“.
„Die Kritik des Rechnungshofes an der Ganztagsschulpraxis der Länder bestätigt den Kurs der alten Bundesregierung – und ist eine Ohrfeige für Föderalismus pur“, sagt Ulla Burchardt (SPD), Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag, der taz. Der Bund wollte mit dem Programm pädagogische Qualität fördern. „Das haben die Bundesländer damals verweigert – nun bekommen sie die Quittung.“
Die Länder wehren sich gegen die Vorwürfe. „Wir können die Kritik nicht nachvollziehen“, sagt Thomas Hainz vom brandenburgischen Schulministerium. Es sei oft nötig, bestehende Gebäude für den Ganztagsbetrieb zu sanieren. Auch Rheinland-Pfalz versichert eine zweckgerechte Verwendung der Fördermittel. Niedersachsen spricht sogar von einer „Verdreifachung der Ganztagsschulen“.
Nach einer Studie der Kultusministerkonferenz erhielten im Schuljahr 2004/05 jedoch nur knapp 13 Prozent aller Schüler bis Klasse 10 ein Ganztagsangebot. In Bayern sind nur zehn Grundschulen Ganztagsschulen – als Modellprojekt.
Die Exministerin verteidigte ihr Programm gegenüber der taz. „Von einem Missbrauch kann keine Rede sein“, so Bulmahn. Für eine erfolgreiche Ganztagsschule seien sowohl räumliche und ausstatterische Voraussetzungen wie auch hochwertige Bildungs- und Betreuungsangebote notwendig. „Zudem haben sich die Länder verpflichtet, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden.“ Das Bundesbildungsministerium will die Vorwürfe prüfen. Sollten die Finanzhilfen nicht dem Zweck entsprechen, müssten die Länder sie zurückzahlen. GESA SCHÖLGENS