: Experten warnen vor radikalem Sparen
SCHULDENKRISE II Euro-Minister beraten über Sparmaßnahmen und erwägen eine EU-Schuldenbremse. Die Konjunktur dürfe aber nicht zu stark belastet werden, sagt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger
BRÜSSEL dpa/ap/rtr | Die Finanzminister der Eurozone wollen am heutigen Montag in Brüssel über die Details des mit insgesamt 750 Milliarden Euro ausgestatteten Rettungsschirms sprechen. Im Mittelpunkt des Treffens werden der Abbau der gewaltigen Schuldenberge, die Haushaltslage in kriselnden Mitgliedsländern wie Griechenland, Spanien und Portugal und eine mögliche Verschärfung des Euro-Stabilitätspakts stehen. Bislang hat das gewaltige Hilfspaket die Finanzmärkte nicht beruhigen können.
Der Kurs der Gemeinschaftswährung ist inzwischen auf den tiefsten Stand seit November 2008 gefallen. Grund dafür sind Zweifel am Erfolg der Sparmaßnahmen in Europa sowie neue Sorgen um den Zustand der spanischen Wirtschaft. Dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, zufolge befinde sich Europa immer noch „in der schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, vielleicht sogar seit dem Ersten“.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) arbeitet laut Presseberichten an einem umfassenden Sparkonzept für die Eurozone, das unter anderem eine Schuldenbremse nach deutschen Vorbild beinhalten soll.
Auch Österreichs Vizekanzler Josef Pröll sprach sich für eine europäische Schuldenbremse aus. Am kommenden Freitag wolle Schäuble in Brüssel seine Vorschläge in die EU-Ratsarbeitsgruppe zur Reform der Währungsunion einbringen, die bis zum Herbst Ergebnisse liefern soll.
Das Konzept sieht zum Beispiel vor, dass die Mitgliedstaaten durch unabhängige Forschungsinstitute überwacht werden. Auch die Einrichtung eines europäischen Sachverständigenrats ist vorgesehen.
Zur Disziplinierung schlägt der Bundesfinanzminister den Entzug des Stimmrechts eines Eurostaats für mindestens ein Jahr und Bußgelder vor, wenn dieses vorsätzlich gegen das europäische Wirtschafts- und Währungsrecht verstößt. Für den Notfall soll es künftig auch ein geordnetes Insolvenzverfahren für überschuldete Eurostaaten geben.
Inzwischen werden jedoch auch Warnungen vor einem übertriebenen Sparkurs laut. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn riet EU-Staaten mit finanziellem Spielraum, die Konsolidierung ihrer Haushalte langsam anzugehen. So könnten sie dazu beitragen, dass die Gemeinschaft nicht in die nächste Rezession rutsche.
Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger warnte in einem Interview vor der Gefahr, dass Europa seine Konjunktur kaputt spare. Im Euroraum fehle es zudem an der Koordinierung der Sparbemühungen, jedes Land agiere für sich.
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