MARTIN REEH ÜBER DIE SOZIALE FRAGE HINTER DEM BERLINER VOLKSENTSCHEID: Marzahn hält zu Vattenfall
Sicher, die Initiatoren des Berliner Volksbegehrens für die Rekommunalisierung der Energiebetriebe haben gute Gründe, sich über die Hindernisse zu beklagen, die ihnen der Senat in den Weg gestellt hat. 2006 hat das Land den Weg für Volksentscheide in der Hauptstadt zwar freigemacht, aber einiges dafür getan, sich nicht davon unter Druck setzen lassen zu müssen: durch juristische Einsprüche, ungünstig gelegte Abstimmungstermine oder eben das 25-Prozent-Quorum, das an Volksabstimmungen höhere Anforderungen legt als an jede Kommunalwahl.
Dennoch nützt es ihnen wenig, in Larmoyanz zu verfallen. Interessanter ist die Frage, warum das Volksbegehren zur Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe 2011 Erfolg hatte, das Energiebegehren aber nicht. Das klärt ein Blick auf die Ergebnisse im östlichen Marzahn-Hellersdorf und Spandau im Westen der Hauptstadt: Dort fand der Wasserentscheid wesentlich mehr Zuspruch als das geplante Energiegesetz. In beiden Bezirken stehen Hochhaussiedlungen, in die die sozial Schwachen Berlins gerade verdrängt werden, ebenso wie zahlreiche Einfamilienhäuser. Beim Wasserentscheid ging es für viele um die Senkung der aufgrund der Privatisierung beispiellos hohen Berliner Wassergebühren. Vattenfall ist aber einer der günstigsten Berliner Stromanbieter, sodass manche beim Erfolg des jetzigen Volksentscheids noch höhere Strompreise befürchteten. Dem Energievolksbegehren fehlte, sieht man von Stromsparberatungen für Ärmere ab, eine wirkliche soziale Komponente.
Solange diese nicht vorhanden ist, wird die Energiewende in Marzahn und Spandau als Projekt der grünen Mittelschichten von Kreuzberg und Pankow wahrgenommen. Hannelore Kraft und die anderen Kohlelobbyisten in der SPD werden das gerne hören.
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