Feilschen um die Fußballlaune

WM 2014 In Rio wird eine riesiges Fußballevent abgesagt. Das heizt Spekulationen über die Sicherheitslage an. Fifa-Kritiker und die Organisatoren des Turniers stehen sich weiterhin unversöhnlich gegenüber

RIO DE JANEIRO taz | Die Vorbereitungen auf die Fußball-WM 2014 in Brasilien bleiben turbulent. Nun wurde die Soccerex-Konferenz, die Ende des Monats im legendären Maracanã-Stadion stattfinden sollte, abgesagt. Angst vor gewalttätigen Demonstrationen und Streit über die Rolle der Fifa prägen weiter die Debatten um das Sportspektakel.

Duncan Revie, Chef der Soccerex, einer riesigen Fußballkonferenz zum Zwecke der Geschäftsanbahnung, kritisierte die Absage am Dienstag als „politische Entscheidung“. Um keinen Anlass für Krawall zu bieten, habe die Regierung von Rio de Janeiro ihre Unterstützung für die Konferenz zurückgezogen. Gouverneur Sérgio Cabral polterte zurück: „Entgegen der Zusage haben die Organisatoren der Soccerex nicht genügend Geld aufgetrieben.“ Die Haltung der Regierung habe nichts mit den Demonstrationen zu tun, die Sicherheitslage in der Stadt sei vollkommen unter Kontrolle.

Interessant an der Erklärung ist der Hinweis, dass für diese private Veranstaltung kein Geld öffentlicher Kassen verwendet werde dürfe. Mehrfach hatten Kritiker der sportlichen Großveranstaltungen wie auch des Papstbesuchs moniert, dass der Staat Millionen dafür investiert, während Mittel für andere Bereiche knapp seien. Vor Gericht scheiterten entsprechende Klagen regelmäßig. Doch Ende Oktober nahm die Staatsanwaltschaft einen neuen Anlauf: In fünf Bundesstaaten klagt sie gegen die Fifa und das lokale Organisationskomitee. Alle provisorischen Einrichtungen für die WM seien nicht im öffentlichen Interesse und dürften nicht von Staat getragen werden. Allein im Bundesstaat Ceará im verarmten Nordosten geht es ungerechnet um über 10 Millionen Euro.

Offenbar haben die Massendemonstrationen vom Juni, als Hunderttausende gegen die Verschwendung öffentlicher Gelder und für „Krankenhäuser und Schulen nach Fifa-Standard“ auf die Straße gingen, Wirkung gezeigt. Die Privatisierung des Maracanã-Stadions liegt auf Eis, der Abriss umliegender Sportstätten und einer Schule zugunsten eines pompösen Einkaufszentrums wurde bereits zurückgenommen. Ein Erfolg der landesweiten Anti-WM-Komitees, die die sozialen Kollateralschäden der Megaveranstaltungen kontinuierlich anprangern.

Exweltmeister Romário meldet sich weiter regelmäßig zu Wort und kritisiert die WM als Kommerzspektakel, das den Interessen des brasilianischen Sports zuwiderläuft. Mittlerweile Bundesabgeordneter, bezeichnete Romário die korrupten Funktionäre des nationalen Fußballverbands schlicht als „Verbrecher“. Ein anderes Idol, Ronaldo, hält dagegen. Die WM werde ein grandioses Fest werden, es gebe im Land keine Stimmung gegen die WM. Als Antwort auf Romário sagte Ronaldo, der dem Organisationskomitee als Aushängeschild dient, alle Investitionen kämen der Bevölkerung zugute.

Beim Feilschen um die WM-Laune im Land konnte die Regierung am Dienstag zumindest einen Etappensieg verbuchen. Der Senat stimmte gegen die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der sich mit Misswirtschaft und Korruption im nationalen Fußballverbands im Vorfeld des WM-Turniers beschäftigen sollte. Der Ausschuss war eine der Forderungen bei den Demonstrationen zur Zeit des Confed-Cups im Juni. ANDREAS BEHN