: Die unsichtbare Karrierebremse
Studie: Nur jede vierte deutsche Führungsfrau glaubt, dass ihr Aufstieg akzeptiert ist. Die Chefinnen rufen deswegen zum öffentlichen Kampf um Anerkennung auf
BERLIN taz ■ Lange Jahre glaubte Susanne Klöß, dass es den kleinen Unterschied nicht gebe: Was sollte schon anders sein für Frauen auf dem Weg nach ganz oben? Sie studierte Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaft. Natürlich kniete sie sich rein. Sie wollte Karriere machen. Stufe für Stufe arbeitete sie sich empor. Irgendwann wurde sie gefragt: Wie läuft das eigentlich als Frau in der Vorstandssitzung? „Da habe ich gemerkt: Es ist doch nicht egal, ob du als Mann oder Frau ganz nach oben willst.“
Gerade mal zehn Prozent der Führungskräfte in Deutschland sind weiblich. Was verhindert ihren Aufstieg in die Chefetagen? Sind es tatsächlich die seit Jahren beschworenen unsichtbaren Barrieren, ist es die gläserne Decke kultureller, psychologischer und gesellschaftlicher Faktoren? Auf dem Kongress World Women Work zum Thema „Frauen und Führung“ in Berlin ließ Susanne Klöß, Partnerin bei Accenture, keinen Zweifel: „In Deutschland funktioniert das System der gläsernen Decke hervorragend.“
Ihre Erfahrungen kann Klöß mit einer Studie des Beratungsunternehmens unterfüttern. Befragt wurden 1.200 Frauen in hohen Führungspositionen. Ergebnis: Zwar waren 73 Prozent der Führungsfrauen in Deutschland von der beruflichen Gleichstellung in den Unternehmen überzeugt, das Thema Gleichberechtigung spiele durchaus eine Rolle in den Firmen. Doch nur 24 Prozent glauben, dass die Gleichberechtigung von der Gesellschaft auch toleriert und akzeptiert werde. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich: Frauen müssen öffentlich mehr für Akzeptanz kämpfen. „Es gibt noch keine Stabilität in unserem veränderten Frauenverständnis“, sagte Exbundestagspräsidentin Rita Süßmuth. „Wir müssen unsere Macht und unsere Fähigkeiten einsetzen, um das zu verändern und mitgestalten.“
Sonja Bischoff, Hamburger Professorin für Betriebswirtschaft, bestätigte diese Einschätzung. Seit 1986 befragt sie Frauen im Mittelmanagement: Nur wenige beklagten sich, dass ihre Kinder die Karriere bremsten. Die größte Behinderung sahen die Befragten in den Vorurteilen gegenüber Frauen am Arbeitsplatz. „Der Mann wird als kompetenter betrachtet als die Frau“, so Bischoff – daran habe sich in den vergangenen 20 Jahren nichts geändert. Dementsprechend bezweifelt sie, dass das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz etwas ändern werde.
Das sah Anne Jenter von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) allerdings anders. Das Gesetz gebe Betriebsräten und Gewerkschaften die Möglichkeit, gegen Lohndiskriminierung zu klagen. „Jetzt muss nicht mehr die einzelne Frau klagen, sondern ein Verband nachweisen, dass er keine strukturelle Diskriminierung betreibt. Diese Tatsache macht die Unternehmen nervös.“
A. DILK, H. OESTREICH