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Archiv-Artikel

Offshore in der Warteschleife

Die Offshore-Windenergie hat momentan einen schweren Stand. Beim Pionierprojekt Butendiek setzen die Initiatoren auf einen Start noch vor 2010

„Die Kosten sind inden letzten Jahrenum 25 Prozent angestiegen“

VON DIERK JENSEN

Die Euphorie ist dahin. Längst vorbei die Zeit, als allein schon das Wort „Offshore“ die Akteure der deutschen Windenenergiebranche elektrisierte. Das war vor fünf Jahren noch ganz anders, als die ersten beiden Offshore-Projekte, Prokon Nord und OSB Butendiek GmbH & Co. KG, ihre Baugenehmigungen vom zuständigen Hamburger Bundesamt für Hydrografie und Seeschifffahrt (BSH) erhielten. Spätestens 2005 sollten, so die damalige Hoffnung, die ersten Windmühlen auf der Nordsee am Netz sein und grünen Strom erzeugen.

Das hat sich als grobe Fehleinschätzung entpuppt: Bis heute bewegt sich noch kein einziges Offshore-Windrad in der deutschen Außerordentlichen Wirtschaftszone (AWZ), die nach der Zwölf-Seemeilen-Zone beginnt. Dieser Umstand bringt die einst ambitionierten Offshore-Pläne – man rechnete schon im Jahr 2010 mit einer Installation von 3.000 Megawatt – in großen Zeitverzug. Ob sich überhaupt bis dahin etwas dreht, bleibt ungewiss.

Dies wirkt sich negativ auf die aktuell hochkochende Diskussion um die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken aus. Während Rot-Grün mit dem damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin den Wegfall von Kraftwerkskapazitäten mit dem zügigen Ausbau der Offshore-Windkraft zu ersetzen glaubte, sticht dieses Argument in der großen Koalition nicht mehr. Zu weit ist der einstige Zeitplan nach hinten verrückt. Auch die Gründung der „Stiftung Offshore“ im September, eine konzertierte Aktion aus Politik, Verbänden und Energiewirtschaft, hat keine entscheidenden Beschleunigungsimpulse geben können. Viele Insider bezweifeln, dass das Testfeldprojekt der Stiftung überhaupt technisch sinnvoll sei.

Dass aber Offshore-Windparks in der deutschen AWZ früher oder später kommen, daran zweifelt in der Windenergiebranche kaum jemand. Die Hoffnung stirbt zuletzt, besonders bei dem Vorzeigeprojekt Butendiek aus Husum. Die Nordfriesen sind unter den mittlerweile über 30 Projekten, die in Ost- und Nordsee geplant sind, die Einzigen, die ohne einen großen Konzern aus der Energiewirtschaft ins Rennen gehen. Butendiek plant einen 240 Megawatt großen Windpark rund 25 Kilometer vor Sylt und ist von seiner Firmenstruktur ein klassischer Bürgerwindpark, an dem rund 8.400 Kommanditisten mit insgesamt 20.000 Einlagen beteiligt sind. Dabei kommt der überwiegende Anteil der Kommanditisten aus Schleswig-Holstein, womit die Erträge der Stromproduktion in der Region bleiben.

„Wir gehen davon aus, dass wir vor 2010 mit unserem Windpark ans Netz gehen werden“, prognostiziert einer der drei Geschäftsführer von Butendiek, Wolfgang Paulsen. Seit fast sechs Jahren ist er mit den Planungen beschäftigt. Er weiß aus diesen Erfahrungen, was es heißt, Offshore-Projekte in Deutschland voranzubringen: Unglaublich viele Probleme und Widerstände galt es in der Vergangenheit zu bewältigen. Und zwar auf mehreren Ebenen zugleich. Zum einen musste der Standort gegenüber den Einwänden von Fischern, Naturschützern und Interessengruppen auf der Ferieninsel Sylt verteidigt werden, zum anderen galt es technisches Neuland zu erschließen: Wie fundamentieren? Welche Anlagentypen, welche Kabel, welche Trasse, welches Wartungskonzept auswählen? Und zu guter Letzt war die Finanzierung ein heikles Thema, denn die Banken hielten einen Bürgerwindpark wie Butendiek – ohne einen finanzkräftigen Partner im Hintergrund – lange Zeit für nicht kreditwürdig genug. Inzwischen hat allerdings ein Konsortium aus HSH-Nordbank und der KfW-Bankengruppe (KfW) signalisiert, dass man bei einem Anteil von 25 Prozent Eigenkapital das Vorhaben finanzieren will. Vorausgesetzt allerdings, dass „die Gesamtkosten im Rahmen bleiben“, so einer der neun Butendiek-Gesellschafter, Hans Feddersen.

Derweil hat sich ein ganz anderes Problem aufgetan. „Die Gestehungskosten sind in den letzten Jahren entgegen unseren ersten Planungen um 25 Prozent angestiegen“, gibt Paulsen freimütig zu. „Die Stahlpreise und Rohstoffpreise für Aluminium und Kupfer haben sich in dieser Zeit enorm erhöht“, erklärt der Offshore-Pionier, „das wirkt sich besonders auf die Kalkulation der Fundamentierung und Kabeltrasse, aber letztlich auch auf die Herstellungskosten der Turbinen aus.“ Zudem liegen die Wartungskosten im Offshore-Bereich höher als einst erwartet. Mit Blick auf die beiden großen dänischen Offshore-Standorte in Horns Rev und in Nystedt rechnet Butendiek – bei einer Verfügbarkeit von optimal 93 Prozent der Maschinen – mit zwei Cent Wartungskosten pro erzeugter Kilowattstunde. Das ist doppelt so viel wie zu Beginn der Planungen erwartet. So liegen die Kosten für das Projekt derzeit nicht bei 400 Millionen Euro, sondern 500 Millionen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Windenergieboom in den USA den Anlagenmarkt leer fegt und die Preise der Megawatt-Mühlen in die Höhe treibt. Weil der amerikanische Markt zurzeit alle verfügbaren Großanlagen gierig aufsaugt, sprechen Branchenexperten von Preissteigerungen bis zu 15 Prozent.

Trotzdem lassen sich Paulsen & Co. nicht beirren. „Wir sind ein Park vieler Kommanditisten und sind daher der Transparenz verpflichtet“, sagt der 48-Jährige in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit, die zurzeit nicht darstellbar ist. Weshalb Paulsen auch kein Hehl daraus macht, dass bei der anstehenden Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) über die Höhe der Vergütung von Strom aus Offshore-Parks verhandelt werden muss. Das sehen die übrigen Akteure im Offshore-Bereich ähnlich. Wie auch das Planungsbüro Plambeck aus Cuxhaven, das zwei Offshore-Projekte in der Nordsee in der Röhre hat. „Über das EEG und die Degression muss neu debattiert werden, ansonsten ist Offshore nicht wirtschaftlich“, sieht Pressesprecher Rainer Heinsohn nun die Berliner Politik am Zug.

Allerdings werden höhere Einspeisevergütungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass ohne die Genehmigungen der Trassen durch die zuständigen Landesministerien kein einziges Offshore-Projekt ans Netz gehen wird. So muss beispielsweise Butendiek dem Nationalpark Nordfriesisches Wattenmeer nachweisen, dass die unterirdischen Stromkabel den darüber liegenden Wattboden nicht um mehr als zwei Grad erwärmen darf.

Um zu beweisen, dass dies nicht der Fall sein wird, musste Butendiek ein Gutachten in Auftrag geben, das diese Frage klärt. Und in Niedersachsen warten seit 2002 mittlerweile acht Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund neun Milliarden Euro auf die Rechtsgültigkeit einer Kabeltrasse durch die Nordseeinsel Norderney. Doch gebe das zuständige Landwirtschaftsministerium in Hannover einfach kein grünes Licht, zeigt Heinsohn wenig Verständnis. So heißt es weiterhin „Stand by“ mit Offshore-Projekten in der deutschen Nordsee.