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Archiv-Artikel

Schalke rechnet sich was aus

Schalke hat die sportlichen Mindestziele verpasst. Finanziell steht der Club wohl auch nicht allzu gut. Die Verantwortlichen dementieren dennoch alle Spekulationen: Sämtliche Zahlen seien falsch

„Schalke ist definitiv nicht pleite, und die Insolvenz droht auch nicht“

AUS GELSENKIRCHENDANIEL THEWELEIT

Es war im vergangenen Sommer, Schalke 04 hatte gerade die Champions League erreicht und einen ganzen Schwung neuer hochkarätiger Spieler verpflichtet, da entglitt Peter Peters ein verräterischer Satz: „Platz vier“, sagte der Geschäftsführer des Klubs, sei „das Worst-Case-Szenario“. Nun ist die Saison vorbei, der Klub hat exakt diesen Platz erreicht, und der schlimmste Fall scheint tatsächlich einzutreten. Seit die Essener Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche ein Ermittlungsverfahren wegen des „Verdachts auf Bilanzfälschung und Insolvenzverschleppung“ eingeleitet hat, rollt eine Lawine auf den Klub zu, deren Vehemenz nicht absehbar ist.

Das Nachrichtenmagazin Focus berichtet in seiner heutigen Ausgabe, dass der Klub private Kredite über fast 8 Millionen Euro aufgenommen habe. Aufsichtsratschef Clemens Tönnies hat 4,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, und vom Bauunternehmer und Aufsichtsratsmitglied Karl-Heinz Beul seien 3 Millionen aufs Schalker Konto geflossen. Mit dem Geld von Tönnies wurden angeblich die Transfers des vergangenen Sommers (Kuranyi und Larsen) subventioniert, der Betrag von Beul soll im März 2006 geflossen sein.

Finanzchef Josef Schnusenberg hat die Anleihe bei den beiden Aufsichtsräten bestätigt und erklärt, dass der Klub damit „kurzfristig Liquiditätsengpässe überbrückt“ habe. Auf die Frage, ob die Herren Sicherheiten dafür erhalten haben, schüttelte Geschäftsführer Peters nach dem 3:2 gegen den VfB Stuttgart vom Samstag nur zaghaft den Kopf. Die Schweißperlen standen auf seiner Stirn, überzeugend wirkte er nicht. Die lauschenden Journalisten fühlten sich stark an die Verpfändung von Transferrechten wertvoller Spielern erinnert, wie sie in Kaiserslautern und Dortmund vorgenommen wurden.

Dass der Klub am Ende der finanziell erfolgreichen Saison mit Einnahmen aus Champions League und Uefa-Cup einen weiteren Kredit benötigte – schon vorher beliefen sich die Schulden auf über 110 Millionen Euro – lässt tief blicken. „Schalke ist definitiv nicht pleite, und die Insolvenz droht auch nicht“, erklärte Schnusenberg jedoch, und sagte: „Das ist eine Bevorschussung auf zu erwartende Gelder aus dem Dauerkartenverkauf und dem Europacup. Das haben wir in der Vergangenheit auch so gehandhabt“. Laut einer Pressemitteilung des Klubs hätten Vorstand und Aufsichtsrat „bei den Transferentscheidungen darüber diskutiert und positiv entschieden, dass private Darlehensgewährung die Finanzierung der Spieler ermöglichen sollte.“

Weiteren Recherchen des Focus widersprachen die Schalker allerdings vehement. „Sämtliche in dieser Vorabveröffentlichung enthaltenen Zahlen sind falsch“, hieß es in der Pressemitteilung. Unwahr sei außerdem, dass man von den Hausbanken keine Kredite mehr erhalte, auch habe man nie beim Hauptsponsor Veltins angefragt, ob dieser einen Vorschuss für den Erwerb der Namensrechte an der Arena zahle. Veltins habe lediglich geholfen, „einen Teil der Ablösesumme des Spielers Bordon“ vorzufinanzieren. Auch dass Rudi Assauer auf sein Jahresgehalt verzichte, stimme nicht. Er habe lediglich „einer Gehaltskürzung zu Gunsten von Andreas Müller zugestimmt“. Und ein Verfahren gegen Schnusenberg wegen Bilanzfälschung und Insolvenzverschleppung existiere ebenfalls nicht.

Gegen den Klub läuft dieses Verfahren allerdings sehr wohl. Vor dem Hintergrund der offenkundigen Liquiditätsprobleme ist der Vorwurf der Insolvenzverschleppung nun besonders brisant. Wenn sich der Verdacht bestätigt, stünde die Pleite nämlich weiterhin bevor. Die gegenwärtigen Liquiditätsprobleme und die Anleihe bei den Aufsichtsräten sind ein Indiz dafür, dass Geld für den laufenden Betrieb fehlt, und das ist die Vorstufe einer Insolvenz. Dabei geht es keineswegs nur um den Klub Schalke 04, sondern um das Unternehmenskonglomerat mit insgesamt 16 Tochterfirmen: Stadionbetrieb, Catering, Ticketing, Security oder Gesundheitszentrum. Aufgrund dieses komplizierten Geflechts mit seinen Möglichkeiten, Gelder hin und her zu schieben, aber auch mit seinen Gefahren plötzlicher Verluste eines Geschäftzweiges, ist die tatsächliche Situation des Konzerns nur schwer durchschaubar. Und deshalb könnte die Versuchung sehr groß sein, sich zweifelhafter Mittel, etwa riskanter Finanzjonglage oder der Verschleierung, zu bedienen.