: Hertha träumt bescheiden weiter
Kein Meistertitel, Uefa-Cup nicht erreicht, 13 Niederlagen in Folge: Nach einer durchwachsenen Saison schafft es Hertha BSC immerhin auf Platz 6. Das ist ein Überraschungserfolg. Und aus einem zerstrittenen Haufen ist doch noch ein Team geworden
von ANDREAS RÜTTENAUER
Falko Götz war gelöst wie lange nicht mehr. 1:2 hatte seine Mannschaft gerade beim 1. FC Nürnberg verloren. Und der Trainer von Hertha BSC parlierte lässig über die kommende Saison, über die Erwartungen, die „sicher auch dann wieder ins Uferlose“ wachsen werden, über die kritischen Fans, über den schweren Stand, den Berlins bester Fußballclub in der Stadt hat. Die Saison ist zu Ende. Berlin ist auf Platz sechs eingelaufen und darf am UI-Cup teilnehmen. Es hätte schlimmer kommen können. Vor allem für Falko Götz. Dass der Übungsleiter nach zwischenzeitlich 13 sieglosen Spielen in Serie überhaupt noch im Amt ist, ist die größte Überraschung der Spielzeit 2005/2006.
Große Hoffnungen
Vor der Saison wurde in Berlin von der Champions League gesprochen, davon, dass die Berliner es verdient hätten, wieder einmal mitzuspielen bei den wirklich Großen der Branche. Nach den ersten Spielen wurde sogar von der Meisterschaft geredet, weil der Start in die Bundesliga besser gelang als je zuvor – und weil Hertha in der zweiten Saisonhälfte eigentlich immer besser war als in der ersten, sah man den Gewinn der Meisterschale beinahe schon als logisch an. Dann kam der Winter, und es lief gar nichts mehr bei Hertha. Plötzlich war ein einstelliger Tabellenplatz das bescheidene Ziel. Aber weil andere Mannschaften im grauen Mittelfeld der Liga auch nicht viel mehr Punkte holten als die Berliner, fanden sich die plötzlich sogar auf Platz fünf wieder, einem so genannten Uefa-Cup-Platz. Am Ende erreichten sie also Platz 6.
Vor allem die Vereinsführung wird – auch wenn es keine offiziellen Freudenfeier geben wird – heilfroh sein über diese Platzierung. Denn der Chef fürs Sportliche, Dieter Hoeneß, und der Chef fürs Finanzielle, Ingo Schiller, sie wussten schon vor der Saison, wie schlecht es um die Finanzen der Profiabteilung bestellt ist. Für einen Verein, der immer wieder in Liquiditätsschwierigkeiten gerät, der verspätete Gehaltszahlungen mit merkwürdigen Ausreden zu entschuldigen versucht, der sieht, das sich die edlen Logen in den VIP-Räumen des Olympiastadions einfach nicht gut verkaufen lassen, der muss sich über einen sechsten Platz einfach freuen. Das Stürmerproblem musste mit billigen Zwischenlösungen behoben werden. Davon erwies sich die eine (Vaclav Sverkos) zwar als untauglich, doch mit Marko Pantelic ist den Berlinern ein echter Coup gelungen. Elf Saisontore hat schon lange kein Stürmer mehr für Hertha geschossen.
Andere spielerische Lücken haben die Berliner durch den Einsatz junger Männer gestopft, deren Namen vor der Saison nur diejenigen kannten, die in der Berliner Kickerpostille Fußballwoche auch die Artikel über Jugendsport lesen. Kevin Boateng wurde zu einem Superstar hoch gerockt. Bisweilen spielte er richtig gut Fußball. So gut, dass er dachte, die Welt liege ihm zu Füßen. Und weil ein müder Held vergangener Jahre, Marcelinho, nicht mehr als Vorbild angesehen wurde von den Jungen, drohte die Mannschaft an mangelnder Organisation, an fehlenden Hierarchien zu zerbrechen. Die Schuld an Niederlagen in der Liga, am peinlichen Pokal-Aus in St. Pauli, schob man sich gegenseitig zu. Hertha war eine Zeit lang nur noch ein Haufen zerstrittener Männer.
Neuer Chef im Mittelfeld
Der hat sich dann doch noch irgendwie zusammengerauft. Falko Götz durfte weiterarbeiten. Er hat mit Yildiray Bastürk einen neuen Chef im Mittelfeld installiert und Marcelinho im Sturm noch ein paar Tore schießen lassen. Er hat den Jungen gesagt, dass sie zwar weit, aber noch lange nicht weit genug in ihrer Entwicklung sind, und plötzlich funktionierte das Ensemble wieder.
Es war gut genug für Platz sechs. So gesehen: ein Überraschungserfolg. Jetzt ist Sommerpause. Zeit, sich neue Ziele zu setzen. Mal sehen, wie bescheiden sie ausfallen.