Diese Stimme wollte raus

MULTITALENT Eine neue CD und ein neues Buch wollen dem Publikum vorgestellt werden. Also wird der bekennende Raucher und Blogger Toni Mahoni demnächst einige Liveauftritte in den einschlägigen Clubs absolvieren

Er glaubt fest daran: Wenn ich immer freundlich bin, ist es das Leben auch zu mir

VON THOMAS WINKLER

Der kann alles. Kann singen und Lieder dichten, Musik machen, Geschichten erzählen und witzige Videos ins Netz stellen, ein Buch schreiben, die Illustrationen dazu krakeln und auch gleich noch das Hörbuch selber einsprechen. Aber eins, das kann Toni Mahoni ganz besonders gut: rauchen.

Das, wie er es nennen würde, Schmökern nimmt eine zentrale Rolle ein in der Existenz von Berlins bekanntestem Blogger. In seinen Netzfilmchen raucht er unaufhörlich, einer seiner bekanntesten Songs heißt „Zigarette“, und in seinem eben erst erschienenen Buch „Gebratene Störche“ beschäftigen sich die Protagonisten oft und gern damit. Auch in einem ausführlichen Gespräch ist Mahoni, der zwar auch im echten Leben Toni heißt, aber seinen wahren Nachnamen nicht preisgeben will, dauerhaft mit dem Drehen und Anzünden von mildem Javaanse beschäftigt.

Die Vernichtung von Nikotin ist auch das einzige Thema, bei dem sich der Herr Mahoni einigermaßen echauffieren mag. Genauer gesagt: die Einschränkungen, die die Öffentlichkeit den Nikotinkonsumenten zunehmend auferlegt. „Das ganze Saubermannzeug geht mir auf den Keks“, grummelt er, „der öffentliche Raum wird ausgekehrt.“

Ein erregter Mahoni allerdings ist ein Mahoni im Ausnahmezustand. Denn ansonsten gibt es so ziemlich nichts, worüber sich aufzuregen er bereit ist. „Ich bin unglaublich gemütlich“, sagt er selbst. Egal ob als Sänger, Schreiber oder Blogger, stets blickt der 33-Jährige mit einer bewundernswerten, geradezu buddhistischen Entspanntheit in die Welt. Diese Welt ist klein, sehr berlinerisch und bevölkert von skurrilen Figuren, die Mahoni allesamt sehr gut bekannt sind. Mahoni berichtet, in welcher Form auch immer, erzählend, singend, schreibend, aus seinem Alltag, den er nur ein wenig hin zur Seltsamkeit verschiebt, aber „nicht auf Kosten anderer und ohne Ironie, denn die mag ich nicht“.

Auf die Bühne geht er mit seiner Band, die nur aus Freunden besteht, die er zum Teil schon aus Jugendtagen kennt und auch in den Geschichten tragende Rollen spielen. Dort veranstaltet er immer wieder dasselbe „Experiment“. Geprobt wird nicht, stattdessen vertraut er darauf, „dass sich da was entwickelt, dass das schon klappt“. Er ist ein Unterhalter, ein Entertainer, sagt er, jedenfalls „wahrscheinlich“. Mehr steckt da nicht dahinter, auch keine Botschaft. Okay, ein Anliegen vielleicht. So eines wie: „Gelassenheit, das will ich vermitteln.“

Seine kleinen Betrachtungen, ob als Buch, Anekdote oder den Songs auf seiner neuen CD „Irgendwat is immer“, haben trotzdem Kultstatus erreicht und Mahoni eine lokale Berühmtheit verschafft. Vor allem sein Videoblog für das Internetportal „Spreeblick“ hat dazu beigetragen, wo Mahonis Geplauder, stets vom Zwitschern seiner sieben Kanarienvögel begleitet wird.

Mittlerweile hat sich Mahoni von „Spreeblick“ verabschiedet, bloggt jetzt auf seiner eigenen Website oder, während der Fußball-WM 2006, für die Onlineausgabe des Nachrichtenmagazins Focus. Die Kanarienvögel hat er aufs Land in gute Hände gegeben, „damit sie rauskommen aus der verqualmten Bude“. Stattdessen gibt es nun ein Aquarium zu füllen, das ihm seine Eltern kürzlich geschenkt haben. Er wohnt nicht einmal mehr in Friedrichshain, dessen schleichende Veränderungen er über die Jahre immer wieder begleitet hat, sondern ist, wegen der günstigeren Mieten, nach Weißensee gezogen.

Der Rest von „diesem Toni-Mahoni-Ding“, diesem „idealen Alter Ego“, ist aber noch intakt. Immer noch trägt er sein Strohhütchen, dazu schlabbriges T-Shirt und Jogginghose. Und immer noch raspelt seine Stimme, wenn er singt oder bloggt, gut geteert in den tiefsten Tiefen des Tonspektrums umher. Dieses Markenzeichen allerdings ist Teil der Kunstfigur: Ansonsten spricht Mahoni ganz normal und berlinert auch lange nicht so intensiv. Ob das nicht anstrengend ist, so zu singen und zu reden, manchmal mehrere Stunden lang, im „Klub Mahoni“ beispielsweise, den er und seine Band alle zwei Monate mit Gästen im BKA veranstalten? Ooch nee, sagt er, dieses tiefergelegte Lungenkrebsorgan sei zwar nicht seine normale Stimme, aber käme doch ganz natürlich: „Die wollte raus.“

Mit dieser Stimme stellt Mahoni eine nicht riesige, aber doch signifikante Differenz her zu seinem eigenen Leben. Niemand weiß wirklich, wie groß die ist, nicht einmal Mahoni selbst: „Ich nehme das mit der Rolle nicht so ernst.“ So kann er hemmungslos sein Leben und das seiner Freunde als Steinbruch ausbeuten für seine Anekdoten, Reime und Geschichten. In denen stilisiert er sich zu einer Art modernem Schwejk. Mit geradezu grenzenloser Naivität begegnet er seiner Umgebung und stellt so, wenn auch eher aus Versehen, bisweilen Autoritäten bloß.

Vor allem aber feiert Mahoni eine subtile Verweigerungshaltung, die beim Rauchen gegen alle Widerstände anfängt und mit immer wieder neu provozierten Kündigungen stetig wechselnder Gelegenheitsjobs noch nicht aufhört. Mahoni macht mit, aber dann auch wieder nicht. Er fickt das System nicht, er lässt es einfach auflaufen. Er ist Hedonist, der sich durchs Leben schlawinert und tatsächlich fest daran glaubt: Wenn ich immer freundlich bin, ist es das Leben zu mir auch.

Im Buch funktioniert das ganz vorzüglich. Auch in den neuen Songs, die trotzdem bisweilen etwas ernsthafter geraten sind als auf dem zwei Jahre alten Debütalbum „Allet is eins“. Im wahren Leben allerdings hat Toni Wieauchimmererheißt nun schon eine ganze lange Weile denselben Job. Für den Kundensupport einer Softwarefirma sitzt er am Telefon. Aber nur drei Tage die Woche, um Zeit zu haben für seine vielen verschiedenen künstlerischen Aktivitäten. Und, natürlich, zum Rauchen.

■ Nächste Termine: 22. 5. „Schöne Party“ in der Kalkscheune; 27. 5. „Klub Mahoni“ im BKA; Lesung „Gebratene Störche“: 10. 6. im Club 23