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Archiv-Artikel

Der Neue

David Odonkor heißt der Favorit von Bundestrainer Jürgen Klinsmann. Obwohl der 22-jährige Dortmunder noch nie im A-Kader der Nationalmannschaft stand, wird er für die Fußball-WM berufen

AUS BERLIN MARKUS VÖLKER

In Ermangelung echter Exemplare hatte die Presseabteilung des Deutschen Fußball-Bundes Pappkameraden in einem Berliner Autohaus aufstellen lassen. Lukas Podolski grüßte aus der ersten Reihe. Joachim Löw verharrte regungslos im Windschatten seines Chefs, Jürgen Klinsmann. Letztere traten dann aber quicklebendig aufs Podium, um den deutschen WM-Kader zu verkünden. Und wer hätte das gedacht? Das Trainerduo hatte nicht nur 23 Spieler zu präsentieren, sondern auch eine faustdicke Überraschung: den Dortmunder David Odonkor, 22 Jahre alt, Mittelfeldspieler, der wie seine Kollegen ins Schlosshotel Grunewald einziehen darf, also dort, von wo aus das DFB-Team seine WM-Expeditionen ins Land der Ideen startet. „Sensation: Klinsmann zaubert Odonkor aus dem Hut“, titelte der Sport-Informations-Dienst in einer ersten eiligen Meldung.

„Er war überrascht“, berichtete Klinsmann vom Telefonat mit dem überrumpelten BVB-Profi, „er war sogar sehr, sehr überrascht.“ Seit einem halben Jahr war das Nominierungskomitee des DFB am U21-Nationalspieler dran, scannte seine Daten, sichtete Videobänder und holte Einkünfte ein über die Teamtauglichkeit des Rechtsaußen, um dann kurz vor knapp die Entscheidung zu treffen. Klinsmann pries gestern die Fähigkeiten Odonkors, als sei der junge Mann auf dem besten Weg, ein zweiter Zinedine Zidane zu werden.

Der Bundestrainer sei „voll überzeugt“ von Odonkor, von seiner „Schnelligkeit“, den „Überraschungsmomenten“, für die er sorge. Und außerdem: „Er kann bis an die Grundlinie durchgehen und Flanken schlagen.“ Logisch, wer so etwas kann, gehört ins Nationalteam. Damit nicht genug, erfuhr die versammelte Presse, dass der Dortmunder frech und unbekümmert sei, ein feiner Kerl überdies, kurz: ein Glücksfall für den deutschen Fußball. Deswegen ist auch Mike Hanke bei der Weltmeisterschaft dabei – und Kevin Kuranyi nicht. Wieder einmal hat Jürgen Klinsmann „die schwerste Entscheidung meines Lebens“ getroffen und dem Schalker eine schnöde Absage erteilt. Das sei nicht schön, sagte Klinsmann, das bestimmt nicht, aber man wolle nun einmal Weltmeister werden am 9. Juli in Berlin.

Da kann man keinen durchschleppen, zumal zwei Lädierte schon drin sind im Kader, Christoph Metzelder, den es in der Wade zwickt, und – zur Komplettierung des Dortmunder Blocks – Sebastian Kehl, dessen Knorpel im Fußgelenk muckert. Der FC Bayern ist mit Schweinsteiger, Kahn und Lahm auch als Trio im Team, rechnet man Ballack zum FC Chelsea. Werder Bremen schickt ebenfalls drei Spieler ins Rennen: Borowski, Frings und Klose. Das war bekannt und ausgemachte Sache. Dass aber der Bremer Owomoyela, der Schalker Ernst und eben Kuranyi ihren Sommerurlaub buchen können, mag die ausgebooteten Drei überrascht haben.

Es war nicht so, dass sich Klinsmann rechtfertigte für seine kippligen Nominierungen, nein, er verkaufte den Kader als der Weisheit letzten Schluss. Über Hanke sagte er: „Mike ist ein Spieler, der gezeigt hat, dass er beißt, dass er dahin geht, wo es wehtut.“ Am letzten Spieltag der Bundesliga war der Beißer nur Auswechselspieler. Von Nowotny wusste Klinsmann zu berichten: „Er weiß, was auf so eine Mannschaft zukommt.“ Der Mann (33) sei erfahren und könne den Jungen, Mertesacker (21) und Huth (21), in kniffliger Situation beistehen. „Es ist wichtig, dass wir viele Varianten zur Option haben“, sagte Klinsmann und fing schon wieder an, vom Sohn eines Ghanaers und einer Ostwestfälin zu schwärmen, von Odonkor also. Noch gibt es von ihm keinen Eintrag in der Promi-Pressedatenbank Munzinger. Das wird sich sehr schnell ändern.