Frau, Arzt etc.
: Die neuen Doktorspiele

Ich gehe nicht besonders häufig zum Arzt. Und nun passiert es mir schon zum zweiten Mal, also in letzter Zeit ständig, dass ich nicht alleine mit dem Arzt in seinem Sprechzimmer sitze. Eine dritte, weibliche Person, die mir im Übrigen nicht vorgestellt wird, verfolgt unsere Unterhaltung mit.

Für eine Vorstellung ist in den zwei Minuten, die der Doktor für mich übrig hat, keine Zeit. Es könnte sich um eine Kollegin handeln, aber ich bin mir sicher, das ist nicht der Fall, denn der Arzt bezieht sie in das Gespräch nicht ein. Und deshalb bin ich mir auch sicher: Der Arzt säße allein mit mir in seiner Ordination, wäre ich, nun ja – ein Mann. Im letzten Fall weiß ich es sogar. Ich habe den Freund gefragt, der mir den Arzt empfohlen hat.

Da sind wir also wieder. Allein aufgrund meines Geschlechts erklärt mich der Herr Doktor zur unzurechnungsfähigen, hinterhältigen Person, die eine Gefahr für ihn darstellt. Und weil ich, anders als die Türkinnen, ohne Vormund erscheine, ohne Ehemann, Bruder oder sonst wen, der schaut, dass alles mit rechten Dingen zugeht, hat der Arzt meine Kontrollperson gleich in petto.

Selbstverständlich handelt es sich dabei um eine großzügige Geste, die ich würdigen sollte. Auf meine Nachfrage nämlich, was denn das gerade bedeutet habe, erklärt mir die Sprechstundenhilfe im Vorzimmer, es ginge nur um die Zusicherung eines korrekten Ablaufs. Wow! Super! Political Correctness: Das neue Doktorspiel. Herzlichen Glückwunsch! Das hat der gute Doktor bestimmt in den Vereinigten Staaten gelernt. Nur, was ist an diesem Szenario bitte korrekt? Die Tatsache, dass ich von vornherein zur gefährlichen Idiotin erklärt werde, allein aufgrund meines Geschlechts? Die Tatsache, dass mir eine Angestellte des Arztes, die von ihm abhängig ist, als neutrale Beobachterin präsentiert wird, wo sie doch Partei ist? Wo eigentlich bleibt meine Absicherung?

Politisch korrekt entmündigt war ich natürlich zum ersten und letzten Mal bei diesem Arzt. Unglücklicherweise ahne ich mich mit einem Trend konfrontiert. Es bleibt mir nur der Weg zurück ins Ghetto, will ich mir die Demütigung ersparen, von vornherein als Intrigantin gebrandmarkt zu werden. Denn auf Gleichbehandlung mit den männlichen Patienten werde ich nicht klagen können, der Arztbesuch unterliegt der Vertragsfreiheit. Bald werde ich also nur noch zu Ärztinnen gehen können, zur Frauen-Hautärztin und zur Frauen-Hausärztin, zur Frauen-Internistin und zur Frauen-Orthopädin. Tolle Aussichten. BRIGITTE WERNEBURG