Aus einem Guss

Kein Mistelrock und kein Allerwelts-Postpunk, stattdessen großer und vollbärtiger Indierock: Das Archie Bronson Outfit spielte im Berliner Mudd Club

Zunächst ist es genauso überraschend wie irritierend, als an diesem herrlichen Sonntagabend nur ein einzelner Musiker mit Gitarre die kleine Bühne des Berliner Mudd Clubs betritt und nicht nur ein Intro spielt, sondern auch nach seinem dritten und vierten Song sich nicht anschickt, die Bühne zu verlassen, und spielt und spielt und weiterspielt. Erwartet hatte man eigentlich eine Band aus London namens Archie Bronson Outfit, eine Band, die aus mindestens drei Musikern besteht, und erwartet hatte man auch, dass die dann sofort ordentlich Dampf machen würden – keinen Blues-Loner mit langen Haaren, Vollbart und Lederjacke, der seine elektrisch verstärkte Gitarre ordentlich aufjaulen lässt und mitunter Mühe hat, gegen sie mit seiner schön gebrochenen Jeffrey-Lee-Pierce-Stimme anzukommen.

Andererseits passt dieser Auftritt ganz gut, geschickt verweisen Archie Bronson Outfit darauf, wo sie sich rockwurzelmäßig verorten, ohne dass man ihrem aktuellen Album „Derdang Derdang“ das sofort anhört: beim Blues, beim Folk, beim Psychedelik-Rock, und da ist es dann auch gar nicht mehr verwunderlich, dass das Trio seine Songs in Nashville, Tennessee, eingespielt und produziert hat. „Derdang Derdang“ ist Rock, ist Indierock, ist Rock ’n’ Roll, ganz klar, und doch liegt es supertoll quer zu allem, was man gerade von vielen Allerweltsbands wie The Kooks oder The Rifles oder The Zutons oder Hoobastank oder wem auch immer zu hören bekommt. Und es ist genauso erfrischend weit weg von dem bunten Indie-Quark der vielen Hippie-Mistelbands à la Architektures in Helsinki, Stars etc.

Was bei allen letztlich dezenten Einflüssen sofort ins Ohr springt, ist das Treibend-monoton-Energische der Archie-Bronson-Outfit-Songs, die gehen wirklich sofort und ohne langen Anlauf, und der Wumms, der sich nicht vor Melodien und knackigen Hooklines fürchtet.

Nach der kleinen Ein-Mann-Roots-Belehrung legen die drei Anfangzwanzigjährigen mit ihren Vollbärten (aber kurzen Haaren) im Mudd-Club sofort los: „Got To Get (Your Eyes)“, „Cherry Lips“ und „Kink“ heißen die ersten Stücke, alles Burner, den wirklichen Hit ihres Albums, „Dart For My Sweethart“, sparen sie sich für später auf. Kein Auge bleibt dabei trocken, kein Fuß neben dem anderen. Dass es nicht zu knackig-rührselig zugeht, dafür sorgt zum einen der Sänger, der mit seiner nölenden Stimme gleichfalls keinen Vergleich mit Jeffrey Lee Pierce zu scheuen braucht, zum anderen der Vormusiker, der als zeitweise viertes Bandmitglied zu manchen Songs verquere Töne aus Klarinette und Saxofon beisteuert. Wirkt dieser Auftritt wie aus einem Guss, genauso wie das Album, so könnte es sich vielleicht bald als einziges Problem von Archie Bronson Outfit darstellen, dass ihre Songs wirklich sofort gehen, hopp oder topp, dass sie keine Zeit zum Reifen brauchen und sich möglicherweise schnell verbrauchen. Vermutlich auch in dem Wissen darum verhält sich die Band zum Abschluss ihres Auftritts wie so viele der jungen, unzornigen Rock-’n’-Roll-Bands: Sie verschwindet von der Bühne und lässt sich zu keiner Zugabe erweichen. GERRIT BARTELS