: Frau der Gegensätze spielt Psychokrieg
TURBINE POTSDAM Die unverfrorene Keeperin Anna Sarholz sichert ihrem Club den Sieg in der Eliteliga
BERLIN/MADRID taz | „Wie eine Große“ habe Anna Felicitas Sarholz agiert, lobte die frühere Fußballnationalspielerin Renate Lingor. Sarholz, die Torhüterin von Turbine Potsdam, hielt im ersten Champions-League-Finale der Frauen gegen Olympique Lyon nicht nur zwei Elfer, sondern sie haute auch noch selbst einen routiniert in die Maschen. Sie wurde, nachdem kein Team in regulärer Spielzeit plus Verlängerung getroffen hatte, im Elfmeterschießen zur Matchwinnerin. Das sollte eigentlich genügen, um vorbehaltlos als „Große“ zu gelten. Sarholz ist allerdings erst 17 Jahre alt.
Ihr Gebaren während des Elfmeterschießens in Madrid hinterließ den Eindruck, als ob die Minderjährige die Rolle „der Großen“ nachspielte. Mit hoch verschränkten Armen und demonstrativ kaltem Gesichtsausdruck blickte die burschikos wirkende 1,80 Meter große Frau ihren Gegnerinnen entgegen. Sie mimte die Psychokriegerin. Das Publikum wiegelte sie mit ihren Armen auf. Sie machte das Stadion zu ihrem Circus Maximus. Das Ganze mutete fast wie eine Parodie auf die mitunter recht hochmütige Torhütergilde an.
Jenseits des Spielfeldes verfällt Sarholz aber ins andere Extrem. Sie macht sich klein. Auf ihre Paraden angesprochen, antwortete sie knapp: „Glückssache“. Dabei hielt sie schon im Halbfinale gegen den FCR Duisburg drei Elfmeter. Damals erklärte sie demutsvoll, sie hätte den kleinsten Beitrag fürs Weiterkommen geleistet.
Anna Felicitas Sarholz ist eine Frau der großen Gegensätze. Auf dem Rasen fällt sie wegen ihres Platzhirschgehabes auf, daneben nimmt man sie wegen ihrer Anspruchslosigkeit kaum wahr. Wenn es ihr Trainer Bernd Schröder verlangt, wird sie auch wieder klaglos ins zweite Glied rücken. In dieser Saison wechselte sie sich regelmäßig mit ihrer Kollegin Desirée Schumann im Tor ab. Vorerst bleibt die Heldin von Madrid im Team noch eine Wackelkandidatin, wie ihr Trainer zuletzt gerne betonte.
Es ist ein Wunder, dass sie noch Sport machen kann. Als 15-Jährige litt sie unter einer Herzmuskelentzündung und schrammte am Tod vorbei. Mit ihrem unbändigen Ehrgeiz hat sie es nun als Champions-League-Siegerin bis nach oben geschafft. Im vergangenen Herbst nach ihrem ersten internationalen Einsatz für Potsdam sagte sie noch: „Darauf habe ich jahrelang hingearbeitet.“ Vermutlich wird es nicht mehr lange dauern, bis man sie vorbehaltlos als eine Große ihres Sports bezeichnen kann. JOHANNES KOPP