: „Feiern kann man überall“
Produzier dich selbst! Ein Gespräch mit dem Galeristen Andreas Wendt über Selbsthilfegalerien, junge Kunst und das Image von Berlin. Obwohl ein aktuelles Museum fehlt, wächst die Nachfrage
INTERVIEW SASCHA JOSUWEIT
taz: Vor 40 Jahren gab es „Großgörschen 35“ mit Markus Lüpertz, Bernd Koberling u. a. Heute eröffnen wieder überall Produzentengalerien. Abgesehen von dem sicher einmaligen Erfolg von „Liga“ und der „Neuen Leipziger Schule“, wie lässt sich das erklären?
Andreas Wendt: Berlin hat zwei Kunsthochschulen, die jedes Jahr unglaublich viele Künstler ausspucken. Die niedrigen Lebenshaltungskosten und der Ruf einer vitalen Szene ziehen Künstler von außerhalb an. Der Bedarf auszustellen ist also extrem hoch. Jede Woche kommen zwei, drei Leute zu mir, die ihre Arbeiten zeigen und nach Ausstellungsmöglichkeiten suchen. Das zu bündeln und die Kosten zu teilen ist eine Überlebensstrategie.
Wozu braucht eine Produzentengalerie einen Galeristen?
Es ist eine Neudefinition der klassischen Selbsthilfegalerie, die tatsächlich nur aus Künstlern besteht, ohne dass ein einzelner das Management übernimmt. Meine Entscheidung war, nicht mehr zu malen und mich stattdessen um die Organisation zu kümmern, allerdings ohne darin besonders erfahren zu sein. Es gibt auch die Variante, wo der Galerist von den Künstlern regelrecht gecastet wird. Der wird angestellt, kriegt ein Gehalt und muss sich bewähren. Da geht es darum, die Künstler möglichst schnell auf dem Markt zu platzieren und von großen Galerien abwerben zu lassen, was auch okay ist.
Die Galerie als Provisorium?
Das Niveau ist ein anderes als bei einer Studentenausstellung in einem leer stehenden Laden. Andererseits kannst du dich präsentieren, ohne gleich diesen enormen Verkaufsdruck zu haben und auf teure Messen gehen zu müssen.
Wer profitiert mehr von diesem Modell, der Künstler oder der Galerist?
Für den Künstler ist das Risiko vielleicht etwas geringer, weil er die Möglichkeit hat zu wechseln. Letztlich ist das eine Frage der Loyalität. Unser Potenzial ist eben auch, dass wir uns alle schon seit dem Studium kennen und das Verhältnis nicht so eine kalte Nummer ist, sondern ein für beide Seiten fruchtbares Geben und Nehmen.
Verstärkt die Lastenverteilung bei den Künstlern nicht das Bedürfnis, das Management zu kontrollieren, besonders wenn der Galerist selbst Maler ist?
Dass ich nicht primär diese Optik von Kunst als Ware habe, macht es nicht unbedingt einfacher, weil man ja trotzdem von mir erwartet, dass ich verkaufe. Teilweise wird mir da schon genau auf die Finger geguckt. Die Reibung und die Impulse, die dabei entstehen, sind aber wichtig für die gemeinsame Arbeit. Und ohne diesen internen Druck würde ich wahrscheinlich auch weniger tun.
Heute hat jede Galerie eine Internetpräsenz. Was leistet die Galerie als Ort?
Es gibt schon Leute, die zufällig vorbeikommen und kaufen. Darauf kommt es aber nicht an. Der Umsatz wird auf den Messen gemacht, wo die Sammler sind und Kontakte entstehen. Die Galerie kommt erst beim Nachgeschäft der Messe wieder ins Spiel. Nach wie vor ist sie vor allem ein Ort der Kunstvermittlung.
Zeitweise war die Galerie eher ein guter Ort für Partys.
Das war die Eventkultur der 90er, als zur Ausstellungseröffnung ein DJ auflegte und der Galerist bis morgens um 5 Uhr Bier verkauft hat. Die Kunst war Nebensache. Wenn wir Eröffnung haben, mach ich um elf das Licht aus. Feiern kann man woanders.
Gerade in Mitte hat man den Eindruck, die Galerien verschwinden oft ebenso schnell, wie sie entstehen. Wie erklärt sich diese Fluktuation?
Zum Teil sind das reine Imagegalerien, Dependancen von andernorts etablierten Galerien, die hier mit kalkuliertem Defizit Testballons starten, um herausfinden, ob Berlin dieser wichtige Kunststandort ist, wie viele meinen, oder noch nicht. Da will keiner zu spät kommen.
Zu einem wichtigen Kunststandort gehört auch ein Museum für Gegenwartskunst, wie die Tate Modern in London. Wieso passiert in dieser Hinsicht nichts?
Ursprünglich sollten die Kunstwerke in der Auguststraße das übernehmen, da hat man sich dann aber auf thematische Schauen spezialisiert. Die Berlinische Galerie, die dafür in Frage käme, verwaltet lieber ihren Altbestand. Der Hamburger Bahnhof ist Abspielstation für reiche Sammler geworden. Und beim Palast der Republik hatte die Kulturpolitik nie viel zu melden, da ging's um Geschichte, nicht um Kunst. Da wollte sich keiner die Finger verbrennen. Das Künstlerhaus Bethanien erfüllt diesen Anspruch noch am ehesten. Obwohl Kunst der einzige wachsende Wirtschaftsfaktor ist, haben selbst Großprojekte wie das geplante Art-Center im ehemaligen Kabelwerk Oberspree viel mit Eigeninitiative zu tun.
Wie sieht die eigene Bilanz aus nach dem ersten Jahr?
Überraschend positiv. Im Vergleich zu großen Galerien finanziell ein Witz, aber bei einer Preisspanne zwischen 200 und 5.000 Euro pro Arbeit eben doch verhältnismäßig gut. Bei einigen Künstlern wächst die Nachfrage bereits, sodass die Preise sicher nicht so niedrig bleiben.