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Archiv-Artikel

„Eine Adresse von Weltformat“

Sieben Jahre hat Reiner Nagel die Hafen-City in Hamburg entwickelt. Nun ist er als Chefplaner nach Berlin gekommen. Im Visier hat er vor allem den Humboldthafen neben dem neuen Hauptbahnhof

Interview UWE RADA

taz: Herr Nagel, Sie sind seit acht Monaten Berlins oberster Stadtplaner. Davor waren Sie sieben Jahre mit der Entwicklung der Hafen-City in Hamburg beschäftigt. Was hat Ihnen das bedeutet?

Reiner Nagel: Wir haben immer gesagt, das ist das wichtigste Stadtentwicklungsprojekt Hamburgs. Aber im Grunde ist es eines der wichtigsten Projekte in ganz Deutschland oder sogar in Europa. Eine Innenstadterweiterung in diesem Ausmaß gibt es sonst nirgends. Das ist das Spannendste, was einem Stadtplaner passieren kann.

Und diese Aufgabe haben Sie getauscht gegen das schwierige Pflaster Berlin?

Die planerischen Arbeiten in Hamburg sind weitgehend abgeschlossen, ich wollte noch einmal etwas Neues machen. Da bietet es sich aus Hamburger Sicht natürlich an, in die einzige richtige große Stadt Deutschlands, nach Berlin zu gehen.

Auch in Berlin heißt es: Die wichtigsten Planungsaufgaben liegen hinter uns. Der Potsdamer Platz ist fertig, die Friedrichstadt genauso.

Außerhalb von Berlin sagt man, Berlin ist deshalb eine spannende Stadt, weil eben noch nicht alles fertig ist.

Was gibt es noch zu tun?

Das Umfeld des Hauptbahnhofs nebst Humboldthafen und Spandauer Schifffahrtskanal ist ein zentrales Thema. Dann der Spreeraum zwischen Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow und schließlich alles rund um den künftigen Flughafen Berlin-Brandenburg International oder die Folgenutzung von Tempelhof und Tegel. Durch die Infrastrukturprojekte Bahnhof und Flughafen werden die Wertigkeiten der Stadt teilweise neu definiert.

Der Hauptbahnhof geht Ende des Monats in Betrieb. Der Reisende findet sich auf einer Brache wieder. Ursprünglich war ein komplett neuer Stadtteil geplant, der wurde mangels Nachfrage nicht gebaut.

Es ist nicht mangelndes Investoreninteresse, wenn die Gebäude noch nicht fertig sind. Im Gegenteil: Wegen seiner Zentralität und imaginären Kraft ist das in Wirklichkeit einer der interessantesten Standorte für internationale Unternehmen in Berlin. Beste Voraussetzungen also, um hier hochwertige Büro- und Freizeitnutzung zusammen mit einem qualitätsvollen öffentlichen Raum entstehen zu lassen.

Klingt nach Hafen-City im Westentaschenformat.

Natürlich nicht. Aber durchaus nach einer Adresse von Weltformat. Denn das ist es, was in der Hafen-City am Ende überzeugend war – dass wir den Bauch der Nutzer erreicht haben, dass sie gesagt haben: Wow, das ist der Standort, da wollen wir jetzt hin!

Der Humboldthafen weckt noch andere Begehrlichkeiten. Die Berliner Reedereien und die IHK wollen dort Fahrgastschiffe, den Museumshafen und eine Marina entstehen lassen. Der scheidende Senatsbaudirektor Hans Stimmann will eine komplette Umbauung mit Arkadengängen.

Das Entscheidende ist, welche Vision man für einen Standort entwickelt. Das Wasserthema ist da einfach nahe liegend. Man muss das aber auch ernst nehmen. Bauen am Wasser muss heißen, die Beziehungen zum Wasser auch offen zu halten.

Mit einer Umbauung des Hafens wäre das nicht der Fall. Da würde vielmehr ein exklusiver Standort nur für einen Inner Circle geschaffen.

Aus Sicht einer nachhaltig wirksamen Immobilien- und Stadtentwicklung ist es sinnvoll, mit der Wasserlage nicht nur die erste Reihe zu erreichen. Das Gleiche gilt für den öffentlichen Raum. Dabei ist die Belebung des Wassers mit Booten, Pontons und Stegen entscheidend. Das haben wir auch in Hamburg, Amsterdam, Kopenhagen und Rotterdam gesehen.

Solche Vergleiche haben wir in Berlin schon oft gehört. Am Ende wurden die meisten Visionen in den Sand gesetzt.

Es ist aber auch vieles und Gutes realisiert worden. Allerdings habe ich in Berlin lernen müssen, dass über jedem Projekt im Grunde ein Schild genagelt werden müsste: Achtung, das Thema hat eine Vorgeschichte.

War das denn in Hamburg von der Mentalität her einfacher?

Vorgeschichten gab es in Hamburg auch. Die Haltung der Stadtgesellschaft war aber teilweise einheitlicher. Bei einem großen Projekt wie der Hafen-City gab es von Anfang an einen breiten Konsens.