sonder-s-bahn zur wm: Abstimmung mit den Füßen
Die Deutsche Bahn AG schenkt den Berlinern für fünf Wochen während der Fußball-WM der Herren eine S-Bahn im Nord-Süd-Pendelverkehr – und bietet damit zudem noch eine kleine technologische Sensation. Denn das Unternehmen leiht sich für dieses Angebot zur Fußball-WM extra S-Bahn-Züge aus, die auch auf Regionalbahngleisen fahren können. Einem geschenkten Gaul schaut man also nicht ins Maul? Doch.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Denn das Angebot ist nicht nur ein nettes Marketing-Geschenk eines Unternehmens, das an die Börse strebt und deshalb besonders profitable Aussichten bieten muss. Es ist auch ein klassisches Lockvogelangebot, das man von Offerten bei Handys oder im Bezahlfernsehen kennt. Dort bekommt der Kunde Geräte angeblich für umsonst, muss aber Monat für Monat satte Fixkosten zahlen. Bei der Pendel-S-Bahn ist es ähnlich: Fünf Wochen lang ist sie umsonst, danach müsste der Senat, also die Berliner, zahlen – obwohl sich über den Sinn dieser neuen S-Bahn-Linie im 20-Minuten-Takt trefflich streiten lässt.
Sicherlich verbessert eine S-Bahn, die den neuen Hauptbahnhof mit dem Stadtring im Norden und Süden verbindet, die Erreichbarkeit des verloren in Mitte herumstehenden Glaspalastes. Durch das Geschenk wird aber nun vorübergehend ein Manko gemildert, das in der Diskussion um die Abkoppelung des Bahnhofes Zoo vom ICE-Netz deutlich wurde: Der neue Hauptbahnhof ist imposant und großzügig dimensioniert, aber nur ungenügend an das öffentliche Nahverkehrssystem angebunden.
Ob eine von den Berlinern bezahlte Pendel-S-Bahn – von dem das Unternehmen am meisten profitiert, das den Zoo abhängen will – wirklich die beste Lösung ist, muss gründlich geprüft werden. Während der Fußball-WM können schon mal die Berliner und ihre Gäste darüber abstimmen. Mit den Füßen. Doch schon jetzt ist klar: Eine dauerhafte Finanzierung ist nur auf Kosten anderer Angebote möglich.
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