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Archiv-Artikel

eulen aus athen (4) Aus dem echten Leben

Heute: Die Eurovision ist ein schillernder Wanderzirkus – und eindeutig zu bunt für die Akropolis

Athen soll hässlich sein und schmutzig? Der Autoverkehr im Wortsinn atemberaubend? Fußgänger eine Art Freiwild, Radfahrer aus Überlebensgründen rar? Pah. Das kann die Eurovisionskarawane ganz anders sehen. Die hat auf dem Olympiagelände ihre Zelte aufgeschlagen. Ein wenig auswärts gelegen, die Luft schon deutlich besser, die Sonne durch keinen Smogfilter gebremst. Eine Parallelgesellschaft, klare Sache.

Was ist schon eine Stadt, die außer der Akropolis und anderen, aber schon weniger berühmten Trümmern nichts zu bieten hat? Aber man hat ja einen Anspruch. Kulturell gesehen.

Was soll man denn zu Hause berichten, hinterher? Lieder gehört, brockenweise Bosnisch, Isländisch, Griechisch oder Estnisch gelernt?

Man fährt also los. So, wie zwei Fotografen vor fünf Jahren in Tallinn bei gleicher Gelegenheit losgefahren sind. Die wollten partout das russische Viertel in der estnischen Hauptstadt besuchen, von der Unesco geschützt – nicht ahnend, dass dieses Quartier für seine Überfälle berüchtigt ist. Sie kamen zurück. Ohne Fotoausrüstung. Beraubt – und außerdem von der Polizei ausgelacht. In Athen muss man keine Armutsdelikte fürchten, nur gastronomische. In der Plaka, der so genannten Altstadt, sind die Lokale Tavernen, und dorthin verirrt sich kein Athener. Aber jeder Tourist.

Die Preise? Kommen einer Wegelagerei gleich. Souvlaki, für das man zu Hause beim Griechen sieben Euro löhnt, kostet hier das zweieinhalbfache. Und dann der Lärm, die Autos. Man sucht Gründe, nicht gehässig über diesen hügeligen Moloch namens Athen zu denken. Die Menschen!, Theodorakis!, Alexis Zorbas!, Nana Mouskouri!. Athen, die Wiege der Zivilisation. Sie ist grauslich. Istanbul ist dagegen ein Wellnessort, Berlin ein entspanntes Pflaster selbst in Neukölln.

Man kommt lieber ins Olympiadorf zurück, fährt mit der ruckeligen U-Bahn zurück von der Party, die die deutsche Botschaft in Athen für Texas Lightning gegeben hat. Kein Dreck, keine Grauschleier. Man versteht jetzt Menschen, die gern parallel zu dem leben, was alle so leben. Man begreift die Furcht, die Zeichen der anderen nicht mehr deuten zu können, man hofft, sich notfalls auf heimatliches Terrain flüchten zu können.

Das Fremde, dem man doch neugierig begegnen soll – kaum auszuhalten.

Man will mal Straßenschilder lesen können und in einer Sprache sprechen, die wiedererkannt wird. Das Fremde, es kann auch nerven. Athens ist ein eigenes Universum, das steht ja fest. Am liebsten anzugucken aus einer anderen Galaxis. JAN FEDDERSEN