: Ein hingetuschtes inneres Drama
AFFÄRE Barbara Conrad übersetzt, Bernhard Schlink erklärt und Hans Traxler zeichnet: eine schöne, kleine Neuausgabe von Anton Tschechows Erzählung „Die Dame mit dem Hündchen“
Was wird eigentlich aus dem Hündchen? Diese interessante Frage stellt Bernhard Schlink im Nachwort zu dieser hübsch gestalteten Ausgabe von Anton Tschechows Erzählung „Die Dame mit dem Hündchen“. Am Anfang der Geschichte ist das Tier untrennbar mit Anna Sergejewna, der Dame, verbunden. Dann bändelt Dmitri Dmitritsch Gurow während ihres Kuraufenthaltes auf Jalta mit ihr an, indem er im Restaurant den Spitz zu sich an den Tisch lockt. Darauf spielt der Hund, während ihrer Affäre, keine Rolle mehr. Bis Gurow ihr Monate später hinterherreist und ihm, als eine Bedienstete mit dem Hündchen Gassi geht, vor Aufregung der Name des weißen Spitzes nicht mehr einfällt.
Man muss ja sowieso immer mal wieder Tschechow lesen. Innere Dramen, hingetuscht von einem, dem nichts Menschliches fremd war. Diese Ausgabe (passend, aber eigentlich viel zu schade zum Verschenken) bietet nun gute Gelegenheit dazu. Barbara Conrad, die „Krieg und Frieden“-Übersetzerin, hat die kleine Erzählung um einen Urlaubsflirt, der zur Liebe wird, einleuchtend und modern ins Deutsche gebracht. Die eleganten Zeichnungen Hans Traxlers bieten dazu einen schönen Verfremdungseffekt – wie behutsam er mit seinen Zeichenstiften einen ganzen Historienfilm in Szene setzen kann!
Neben dem Rätsel um den Spitz kann einem auch (mir ist es so gegangen) der graue Zaun auffallen, den Gurow geradezu zu hassen beginnt, weil er in all seiner Hässlichkeit direkt gegenüber dem Haus seiner Liebsten steht. Das wahre, interessante Leben, lernt man mal wieder, verläuft im Schutze des Geheimnisses. DIRK KNIPPHALS
■ Anton Tschechow: „Die Dame mit dem Hündchen“. Aus dem Russischen von Barbara Conrad. Insel, Berlin 2013, 68 Seiten, 14 Euro