portrait : Der ahnungslose Koordinator
Was ist besser: als Lügner dazustehen oder als unfähig zu gelten? Vor dieser Wahl steht erneut der frühere Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer. Anfang der Woche legte sich der gelernte Physiker, der für die CDU im streng geheimen Parlamentarischen Kontrollgremium sitzt, in einer persönlichen Erklärung fest: „Während meiner Zeit als Geheimdienstkoordinator – Dezember 91 bis Oktober 98 – hatte ich keine Kenntnisse von den Vorgängen, die Gegenstand heutiger Erörterungen sind.“ Der Gegenstand: die jahrelange Bespitzelung von Journalisten durch den BND. Gestern nun meldete Schmidbauer sich erneut und ebenso eindeutig zu Wort. Der Berliner Zeitung sagte er: „Ich habe gewusst, dass der damalige BND-Direktor Volker Foertsch Hintergrundgespräche mit Journalisten führte, auch mit dem Zweck, undichte Stellen im Geheimdienst zu finden. Ich habe aber nie die Ausforschung von Journalisten angeordnet oder gebilligt.“
Sollte der Widerspruch zwischen beiden Aussagen den ehrgeizigen Schmidbauer aus der Bahn werfen, wäre es das erste Mal, seit Helmut Kohl ihn im Dezember 1991 ins Kanzleramt holte. Vielmehr wird ihn wurmen, dass er nun – wie er es auch macht – irgendwie als Trottel dasteht. Denn entweder waren ihm die Observationen tatsächlich unbekannt – dann hat er als oberster Koordinator der Schlapphüte nicht getaugt und versagt. Schlecht fürs Ego. Und wenn er doch etwas gewusst hat? Paragraf 1: Bernd Schmidbauer sagt immer die Wahrheit. Paragraf 2: Was die Wahrheit ist, bestimmt Bernd Schmidbauer. Das geht dann etwa so: Schmidbauer fordert radikale Aufklärung, will, dass der bislang geheime Bericht über die Redakteursbespitzelung offen gelegt wird. „Ich habe großes Interesse daran, dass er veröffentlicht wird, weil das ein für alle Mal mit dazu beiträgt, dass Gerüchte nicht ins Kraut schießen und dass wir nicht ständig Vorhaltungen kriegen“ – nachzulesen im gestrigen Mannheimer Morgen.
Der Vater von drei Kindern, der am 29. Mai 67 wird, fühlte sich stets als Mann für kühne Operationen: 1992 bekam er nach zähen Verhandlungen zwei deutsche Geiseln aus dem Libanon frei. Im Frühsommer 1993 befreite er in München Geiseln aus der Gewalt kurdischer Terroristen. 1994 erreichte er die Freilassung des in Iran zum Tode verurteilten Deutschen Szimkus. Für andere Schlagzeilen sorgte Schmidbauer aber 1995 in der „Plutoniumaffäre“. Selbst ein Untersuchungsausschuss des Bundestags konnte nicht recht klären, welche Rolle er beim vom BND inszenierten Schmuggel von Bombenstoff von Moskau nach München spielte und wie viel er wusste – so wie heute in der Spitzelaffäre. WOLFGANG GAST