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Archiv-Artikel

der wochenendkrimi Natur und Kreatur

„Tatort: Stille Tage“, So., 20.15 Uhr, ARD

Unter feuchtem Nebel strömt die Weser dahin, und am Ufer dampfen tierische Ausscheidungen. Wildschweine auf der Suche nach Futter graben eine Leiche aus. Die Kommissarin fällt in eine Jauchegrube. Ihr Assistent wühlt in einer Müllhalde herum, aus der Gase aufsteigen. Das Geflügel auf einem Bauernhof dämmert traurig im eigenen Dreck vor sich hin. Jemand erzählt von einem Traum, in dem Schnecken alles Grün auffressen. Es geht kreatürlich zu in diesem Tatort von Regisseur Thomas Jauch und Drehbuchautor Jochen Greve.

Das Doppel hatte für Radio Bremen vor zwei Jahren schon die Episode „Die Liebe der Schlachter“ entwickelt. Ein skandalträchtiges Liebesgemetzel, dem leider der psychopathologische Feinschnitt abging. Für „Stille Tage“ rollen Jauch und Greve den Fall nun ebenfalls mit dem Fokus auf eine heikle Art von Körperlichkeit auf – und diesmal geht die gewagte Erzähltaktik auf.

Alles Organische in diesem Krimidrama verdampft, verblüht und verwest. Vielleicht wird Kommissarin Lürsen (Sabine Postel) ja auch vom Gefühl getrieben, dass alles Leben nur seinem Ende zutreibt – jedenfalls landet sie recht schnell mit dem Mann des Mordopfers im Bett. Dass der Vater an Alzheimer erkrankt ist und die Tochter nicht mehr erkennt, mag Lürsen erst recht in die Hände des frisch Verwitweten getrieben haben. Verlust verbindet; wimmernd suchen die traurigen Menschen Halt beieinander. Blöd nur, dass Manfred Schirmer (Joachim Król) so zwielichtig ist. Hat der sensible Stoffhändler seine Frau gar selbst den Wildschweinen zum Fraß vorgeworfen?

Das Ungeheuerliche in diesem dramaturgisch gelegentlich etwas umständlichen, aber extrem stimmungsvoll fotografierten Tatort (Kamera: Clemens Messow) breitet sich mit leiser Zwangsläufigkeit aus: Die Weser strömt still, zu Lande schreitet unaufhaltsam die Verwesung dahin. Alles ist endlich und nur der Tod ewig. CHRISTIAN BUSS