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Archiv-Artikel

Ansturm auf Kanaren

Mit 647 Flüchtlingen an einem Tag erreicht die Zahl der Flüchtlinge aus Afrikas ärmsten Ländern einen Höchststand

MADRID taz ■ Der Zustrom von Flüchtlingen auf die Kanarischen Inseln schlägt alle Rekorde. Am Donnerstag kamen innerhalb von nur 24 Stunden 647 Flüchtlinge in neun Fischerbooten auf den Inseln im Atlantik an. Vier landeten im Süden Teneriffas, zwei auf El Hierro, zwei auf Gomera und eines auf Gran Canaria. Noch nie waren in nur einem Tag so viele Flüchtlinge nach Spanien gelangt. Seit Jahresbeginn zählen die Behörden rund 7.500 Flüchtlinge auf der Inselgruppe. Im gesamten Vorjahr waren es nur 4.751. Weit über 1.000 Menschen sollen seit Anfang 2005 die Flucht vor Elend und Bürgerkrieg über den Atlantik mit dem Leben bezahlt haben.

Die Auffanglager auf den Kanaren sind restlos überfüllt. Bereits ohne die 647 Neuankömmlinge leben dort auf engstem Raum 2.300 Menschen. „Die Maßnahmen zeigen keine Wirkung“, beschwert sich der Chef der Inselregierung, Adán Martín, über die Regierung in Madrid. „Die Lage ist unerträglich, der Zustrom massiv“, so Martín. Ministerpräsident José Luis Zapatero habe „nicht ein einziges Mal angerufen“.

Die Polizeigewerkschaft AUGC untermauerte die Beschwerden der Inselregierung mit einer Studie. Das Innenministerium stelle kaum Mittel zur Verfügung, um der Lage Herr zu werden. So wurde trotz des Versprechens, die Küstenwache zu verstärken, genau das Gegenteil angeordnet. Siebzehn Patrouillenboote der Guardia Civil wurden in die Mittelmeerstadt Valencia geschickt, um dort eine Bootsregatta – eine Vorentscheidung für den Americas Cup im kommenden Jahr – zu sichern. Währenddessen sind vor der Küste der Kanaren nur drei Boote im Einsatz.

Auch auf der allfreitäglichen Kabinettssitzung in Madrid war die Flüchtlingskrise wieder Thema. Die Regierung Zapatero beschloss einen „Afrikaplan“. Zehn Diplomaten sollen ab kommenden Sonntag die Beziehungen mit den Ländern ausbauen, aus denen die Flüchtlinge kommen. Sie werden von einem eigens im Senegal eingerichteten Büro aus operieren. Neben einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik, die in ein Rücknahmeabkommen für Abgeschobene münden soll, verspricht Spanien, auch die wirtschaftliche und entwicklungspolitische Zusammenarbeit zu stärken. Schon bald soll eine spanische Botschaft in Mali eröffnet werden.

Bereits am Dienstag hatte Außenminister Miguel Ángel Moratinos bei einem Treffen der Unesco in Paris die Gelegenheit genutzt, um an Regierungsvertreter aus Mali, Senegal, Guinea Bissau und Niger einen Brief des spanischen Regierungschefs Zapatero zu überreichen, in dem dieser um Zusammenarbeit bat, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen. REINER WANDLER