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Archiv-Artikel

Schäuble: Kriegsrecht nach innen

Bei terroristischen Anschlägen sieht der Bundesinnenminister den völkerrechtlichen Verteidigungsfall gegeben. Entführte Passagierflugzeuge abzuschießen soll damit doch möglich werden – trotz der Entscheidung des Verfassungsgerichts

AUS BERLIN BETTINA GAUS

In der Diskussion um eine neue Definition des Verteidigungsbegriffs und eine entsprechende Verfassungsänderung hat jetzt auch Innenminister Wolfgang Schäuble Position bezogen. Bei einem Podiumsgespräch des Evangelischen Arbeitskreises der Union plädierte er dafür, künftig auch terroristische Attentate als „Angriff“ im Sinne des Kriegsvölkerrechts zu werten. In dieselbe Richtung zielt bereits der Entwurf von Verteidigungsminister Franz Josef Jung für ein sicherheitspolitisches Weißbuch, der von SPD-Sicherheitsexperten deshalb scharf kritisiert wird.

Schäuble erläuterte bei dem Gespräch in Berlin seine Sicht des Verfassungsgerichtsurteils zum Luftsicherheitsgesetz. Dieses Gesetz sollte den möglichen Abschuss eines entführten Passagierflugzeugs legalisieren, wenn damit – wie bei den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA – eine höhere Zahl von Menschenleben gerettet werden könnte. Die Richter in Karlsruhe hatten dieses Gesetz aus zwei Gründen für verfassungswidrig erklärt: zum einen, weil der Einsatz der Bundeswehr im Inneren vom Grundgesetz nicht erlaubt werde. Zum anderen aber auch weil Menschenleben nicht gegeneinander aufgerechnet werden dürften.

„Im Rahmen von Polizeiarbeit“, so jetzt der Innenminister, sei diese Position nachvollziehbar. Sie gelte jedoch nicht für den Verteidigungsfall. Dem Kriegsvölkerrecht entspreche es, das „Gebot der Verhältnismäßigkeit“ zu beachten. Im Klartext: Die für Sicherheit zuständigen CDU-Minister Schäuble und Jung wünschen eine Erweiterung des Sicherheitsbegriffs, die es dem Staat ermöglicht, auch im Falle einer Bedrohung von innen Kriegsrecht anzuwenden oder den Bündnisfall zu erklären.

Wolfgang Schäuble betonte, der Weltsicherheitsrat habe am 12. September 2001 die Terroranschläge des Vortags als Angriff auf die Vereinigten Staaten bezeichnet. Damit sei das Völkerrecht weiterentwickelt worden. Das Gremium habe die Grenze zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufgehoben, eine Grenze, die der Innenminister selbst als „obsolet“ bezeichnete: „Diese Trennung nützt uns nichts mehr.“ Und: „Die Staaten haben das Monopol für Kriegsführung verloren.“

Auf internationaler Ebene wird diese Sichtweise auch vom Nato-Rat geteilt. Er erklärte seine Solidarität mit den USA nach den Attentaten auf der Grundlage von Artikel 5 des Nato-Vertrages. Somit machte er sich eine neue Interpretation des bewaffneten Angriffs auf einen Bündnispartner zu Eigen. Als „Krieg“ werden folglich nicht mehr ausschließlich Konflikte zwischen Staaten definiert, sondern auch Attacken nichtstaatlicher Gruppierungen auf zivile oder militärische Ziele.

Im Zusammenhang mit terroristischen Bedrohungen sprach sich Schäuble auch für eine engere Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nachrichtendiensten aus. Die Trennung zwischen Zivil- und Katastrophenschutz bezeichnete er als „veraltet“. Ähnlich hatte sich bereits Schäubles sozialdemokratischer Vorgänger Otto Schily geäußert.

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