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Archiv-Artikel

„Die vielleicht letzte Chance“

WM-QUALIFIKATION II Das rumänische Nationalteam ist seit Jahren erfolglos. Vor dem Rückspiel gegen Griechenland besteht kaum Hoffnung auf Besserung

WM-Entscheidungen

■ Kroatien - Island, 20.15 Uhr Weil sich Island im Hinspiel trotz Unterzahl tapfer ein torloses Remis erkämpfte, hat der kleine Inselstaat nach wie vor eine realistische Chance, sich erstmals für eine WM zu qualifizieren. Die Isländer müssen allerdings ohne ihren verletzten Topstürmer Kolbeinn Sigthorsson auskommen. Die Angst vor der Blamage dürfte bei den Kroaten nicht gering sein.

■ Schweden - Portugal, 20.45 Uhr Portugals Star Cristiano Ronaldo erwartet eine „Schlacht“. Dank seines Treffers im Hinspiel in Lissabon (1:0) wähnen sich Ronaldo und sein Team im Vorteil. Sein prominentester Gegenspieler Zlatan Ibrahimovic verbreitet indes ebenfalls Optimismus: „Wir haben definitiv eine Chance, alles kann passieren.“

■ Frankreich - Ukraine, 21 Uhr Wenn die Franzosen die 0:2-Niederlage von Kiew nicht wettmachen, verpassen sie erstmals seit 20 Jahren eine WM. Frankreichs Sportzeitung L’Equipe spricht von der „Alarmstufe Rot“. Immerhin hat die Ukraine in den letzten sechs Pflichtspielen keinen Gegentreffer kassiert.

BUKAREST taz | Der rumänische Nationaltrainer Victor Piturca ist wohl das Gegenteil dessen, was man als Frohnatur bezeichnet. Nach dem Schlusspfiff im Stadion von Olympiakos Piräus schaute der 57 Jahre alte Fußballtrainer noch deutlich mieser gelaunt aus als sonst. „Es wird nicht einfach“, flüsterte der in der Heimat sehr umstrittene Piturca. Das 1:3 in Griechenland im Hinspiel der Play-offs zur WM-Qualifikation und besonders die Zahl der Gegentore schockierten das ganze Land. Rumäniens Offensive war schwach, die Defensive desolat. Daher macht es zumindest ein bisschen Hoffnung, dass Vlad Chiriches heute trotz eines Nasenbeinbruchs im Rückspiel in Bukarest wieder dabei sein wird. „Er ist unser stärkster Spieler, keine Frage“, sagt Alexandru Maxim über den Innenverteidiger von Tottenham Hotspur. Maxim spielt beim VfB Stuttgart und ist dort wie in Rumänien ein großer Hoffnungsträger.

Der 23-Jährige sitzt im Teamquartier der Rumänen in Mogosoaia, 20 Kilometer entfernt vom pulsierenden Leben Bukarests. Das Hotel hat den Charme einer hübsch renovierten Sportschule. An den Wänden hängen Poster der Nationalspieler, die Rumänien bei großen Turnieren vertraten. Gheorghe Hagi, Marius Lacatus, Ioan Lupescu. Einen Titel gewann Rumänien nie, aber es war der Weltspitze mal ganz nah. Bei den Weltmeisterschaften 1990, 1994 und 1998 überstand die Auswahl jeweils die Gruppenphase. In den USA scheiterte sie im Viertelfinale nach Elfmeterschießen an Schweden. „1994 hatten wir die beste Nationalmannschaft der Geschichte und die besten Momente. Alle Menschen waren hier auf den Straßen. Das war meine Inspiration, mit dem Fußball zu beginnen“, sagt Ciprian Marica.

Piturca, 1986 sehr überraschend Europapokalsieger der Landesmeister mit Steaua Bukarest geworden und gerade zum dritten Mal in seinem Leben Nationaltrainer seines Heimatlandes, wird derzeit scharf wegen seiner Personalpolitik kritisiert. Der von ihm verschmähte Adrian Mutu, einst bei Inter Mailand, Juventus Turin und dem FC Chelsea, postete auf seiner Facebookseite eine Fotomontage, die den Nationaltrainer als Mr. Bean zeigt, die trottelige Hauptfigur einer englischen Comedyserie.“

Unsere Stärke ist die Gruppe“, sagt Marica. Der Stürmer gehört mit 28 Jahren und 67 Länderspielen zu den erfahrenen Rumänen, die von „der vielleicht letzten Chance“ sprechen, sich für eine WM zu qualifizieren. Dreimal hintereinander verpasste sein Land das bedeutendste Turnier nun. Für den Niedergang macht Marica auch ein Mentalitätsproblem verantwortlich: „Wir lehnen immer die Favoritenrolle ab und zählen die Stärken des Gegners auf. In Deutschland habe ich etwas anderes gelernt.“ Egal wen man in Bukarest fragt, die Leute stimmen dem Stürmer zu. „Für Rumänen ist das Glas immer halb leer“, sagt Thomas Neubert, der deutsche Assistenztrainer von Steaua Bukarest.

Ein weiterer Grund, dass Rumänien nun in der zweiten bis dritten Reihe steht, ist die mangelhafte Nachwuchsförderung. „Die Regierung muss mehr tun für den Sport, nicht nur für den Fußball. Das ist ein strukturelles Problem“, klagt Marica. Noch immer haben im Verband und der Ligavereinigung Funktionäre das Sagen, die schon zu Zeiten des Diktators Ceausescu die Vorzüge der Kader genossen. Es besteht wenig Interesse an einer Nachwuchsförderung. Neubert berichtet, dass der 24-malige Meister Steaua 15 Spieler von Hagis Fußballschule übernommen habe, um in der Youth League der Uefa spielen zu können. Der Verband schreibt dies für Mannschaften aus der Champions League vor. Neubert lacht und schüttelt gleichzeitig den Kopf: „Wir selber hatten nur acht Spieler für eine U19.“

MARCUS BARK